Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
lediglich weitergegeben«, betonte Kurtz.
»Genau wie Johnny Norse«, äußerte Angelina mit unverhohlenem Spott. »Unschuldig. Nur ein Bote. Ich hoffe, Sie werden im Neunten Kreis der Hölle schmoren, genau wie Norse.«
Kurtz wartete.
»Sechs Jahre, Kurtz. Wissen Sie, was für eine lange Zeit das sein kann, wenn man auf der Lauer liegt und Intrigen spinnt? Ich habe zwei Männer geheiratet, um mir das notwendige Know-how anzueignen und mich in eine aussichtsreiche Machtposition zu manövrieren. Alles umsonst. Ich kehre ins völlige Chaos zurück und mein gesamter Plan ist für den Arsch.«
Rote und blaue Polizeilichter blitzten von der Schnellstraße herüber, doch der Streifenwagen war unterwegs zu einem anderen Ziel. Keiner von ihnen schenkte ihm Beachtung.
»Stevie hat das, was von der Familie übrig war, an Emilio Gonzaga verkauft«, verriet Angelina. »Er musste.«
»Gonzaga kontrolliert die Richter und wichtige Stimmen im Bewährungsausschuss«, entgegnete Kurtz. »Aber warum warten Sie nicht einfach ab, bis Skag entlassen wird? Schreiben das Drehbuch um. Warten mit Ihrem Manöver, bis Sie sein Vertrauen erobert haben?«
»Stevie wird tot sein, bevor das erste Herbstlaub von den Bäumen fällt«, erklärte Angelina mit einem spitzen kleinen Lachen. »Glauben Sie etwa, Emilio Gonzaga wird den Farino-Erben frei herumlaufen lassen? Emilio plant, beide Familien zu führen. Dabei ist ihm Stephen Farino im Weg.«
»Oder Sie.«
»Mich braucht er als persönliche Hure.«
»Keine schlechte Position, um Pläne zu schmieden«, ätzte Kurtz.
Angelina Farino Ferrara trat einen halben Schritt vor, als wollte sie ihm ins Gesicht schlagen. Sie beherrschte sich und blieb stehen. »Wollen Sie wissen, warum ich nach Sizilien und zu diesem Idioten ging?«
»Ein plötzlich erwachtes Interesse an Renaissancekunst?«, mutmaßte Kurtz.
»Emilio Gonzaga hat mich vor sieben Jahren vergewaltigt«, presste sie mit flacher und harter Stimme hervor. »Mein Vater wusste davon. Stevie wusste davon. Aber anstatt dieses Gonzaga-Schwein mit einem Bolzenschneider zu kastrieren, beschlossen sie, mich wegzuschicken. Ich war schwanger. 25 Jahre alt und schwanger mit Emilio Gonzagas Kind der Liebe. Daddy wollte, dass ich das Baby zur Welt bringe. Er brauchte ein Druckmittel für die geplante Fusion beider Clans. Also ging ich nach Sizilien. Heiratete einen Schwachkopf von zukünftigem Don, den unsere Familie dort kannte.«
»Aber Sie haben das Kind nicht bekommen«, vermutete Kurtz.
»Oh, sicher habe ich das«, verriet Angelina und stieß wieder dieses harte, kurze Lachen aus. »Es war ein Junge. Ein wunderschöner kleiner Junge mit Emilios fetten Gummilippen, seinen wundervollen braunen Augen und dem Kinn und der Stirn der Gonzagas. Ich habe ihn im Belice in Sizilien ertränkt.«
Kurtz sagte nichts.
»Es wird verdammt noch mal nicht leicht werden, Emilio Gonzaga zu töten, Kurtz. Sein Anwesen auf Grand Island gleicht nicht nur einer Festung, es ist eine Festung. Je älter Emilio wird, desto paranoider verhält er sich. Dabei wurde er bereits als Paranoiker geboren. Er verlässt sein Haus nur noch äußerst selten und duldet niemanden in seiner Nähe. Auf seiner Gehaltsliste stehen 25 der besten Killer im Staat New York und langweilen sich dort bei ihm auf der Insel.«
»Wie haben Sie geplant, ihn zu töten?«, erkundigte sich Kurtz.
Angelina grinste. »Nun, irgendwie hatte ich gehofft, dass Sie diese Kleinigkeit für mich erledigen, jetzt wo Sie wissen, was ich weiß.«
»Wie haben Sie davon erfahren? Dass Gonzaga den Mord an Sam befohlen hat?«
»Stevie hat es mir selber erzählt, als wir über Sie sprachen.«
Kurtz nickte. Sein Haar war vom Schnee durchnässt. Drei Jahre lang hatte er sich mit Little Skag den Zellenblock geteilt und seinen Arsch – im wahrsten Sinne des Wortes – vor einem schwarzen Vergewaltiger namens Ali gerettet. Und die ganze Zeit über wusste Little Skag, wer wirklich hinter Sams Tod steckte. Er musste sich köstlich amüsiert haben. Kurtz fand die Ironie des Schicksals so zynisch, dass es ihm beinahe ein Lächeln abrang. Aber eben nur beinahe.
»Können wir jetzt endlich aus diesem Scheißschnee verschwinden?«, fragte Angelina.
Sie gingen zurück zum Wagen. Kurtz dirigierte sie mit einem Nicken auf den Fahrersitz. Sie zitterte vor Kälte, als sie den Motor anließ und die Heizung bis zum Anschlag aufdrehte.
»Sind Sie dabei, Kurtz?«
»Nein.«
Sie stieß eine kalte Atemwolke aus. »Fahren wir
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