Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
der Stadt filzen. Wir nehmen die Unregistrierte. Prügeln ihm die Scheiße aus dem Leib und buchten ihn ein.«
»Ja«, signalisierte Brubaker seine Zustimmung. »Ja.« Er fuhr zurück auf den Highway 219 und die Schnellstraße nach Buffalo.
Kapitel 15
Als Kurtz davon überzeugt war, die Zivilfahnder abgehängt zu haben, nahm er die Nebenstrecke von Hamburg zur Schnellstraße, löste ein Ticket an der Mautstation und legte die rund 200 Meilen nach Cleveland zurück.
Dr. Howard K. Conway wohnte und praktizierte in einem alten Stadtviertel, nicht weit entfernt vom Zentrum. Dort prägten große, alte viktorianischen Bauten, die zu Apartments umgebaut worden waren, das Straßenbild. Dazu gesellten sich imposante Kirchen, die entweder zwischenzeitlich geschlossen oder zumindest über Nacht verriegelt waren. Als zunehmend Schwarze die italienischen und polnischen Einwohner des Quartiers ersetzt hatten, waren die katholischen Gemeinden aufgelöst worden oder in die Vorstädte umgesiedelt. Trotz des neuen Stadions und des Rock-and-Roll-Museums war Cleveland genau wie Buffalo eine alte Industriestadt, die langsam von innen verrottete.
Wenn es sich bei Emilio Gonzagas Anwesen um eine Festung handelte, dann war Conways Haus eine Festung für Anfänger. Ein schwarzer Eisenzaun umgab das alte Haus, die Fenster im Erdgeschoss zierten massive Gitterstäbe und bis auf ein einsam beleuchtetes Fenster im ersten Stock lag das Gebäude in völliger Dunkelheit. Auf dem Schild stand DR. MED. DENT. H. K. CONWAY. Kurtz öffnete das Eisentor – vermutlich wurde dadurch ein Alarm im Haus ausgelöst – und ging zur Haustür. Dort fand er einen Klingelknopf und eine Sprechanlage vor. Kurtz drückte auf Ersteren und stöhnte in Richtung von Letzterer.
»Was ist?« Die Stimme war jung – zu jung für Conway – und barsch.
»Ssahnsmerzen«, stöhnte Kurtz. »Brauch n’ Ssahnarß.«
»Was?«
»Hab furchba’e Ssahnsmerzen.«
»Verpiss dich.« Die Sprechanlage verstummte.
Kurtz drückte lange auf den Klingelknopf.
»Was?«
»Ich ’ab ganß slimme Ssahnsmerzen«, stöhnte Kurtz lauter und mit einem deutlichen Wimmern.
»Dr. Conway empfängt keine Patienten.« Der Lautsprecher wurde abgeschaltet.
Kurtz drückte achtmal auf die Klingel und lehnte sich dann mit seinem ganzen Gewicht gegen den Knopf.
Auf der Treppe ertönte das Poltern von Schritten, dann wurde die Tür bis zur Länge der Sicherheitskette aufgerissen. Der Mann, der dort stand, war so breitschultrig, dass er das Licht, das von oben herabfiel, abschirmte – mindestens 150 Kilo schwer, jung, vielleicht Mitte 20, mit vollen Lippen und lockigem Haar. »Bist du gottverdammt noch mal taub? Ich habe doch gesagt, dass Dr. Conway keine Patienten empfängt. Er praktiziert nicht mehr. Verpiss dich.«
Kurtz hielt sich die Wange, er hatte den Kopf gesenkt, sodass sein Gesicht im Schatten lag. »Ich brauch n’ Ssahnarß. Tut weh.«
Der Große wollte die Tür schließen. Kurtz schob seinen Fuß in den Spalt. »Bi’e.«
»Okay, du hast es nicht anders gewollt, Kumpel«, knurrte der Riese, schob die Sicherheitskette zur Seite, riss die Tür auf und packte Kurtz’ am Kragen.
Kurtz trat ihm wuchtig in die Hoden, nahm die angebotene rechte Hand des Goliaths, schwang sie um sich herum und brach ihm den kleinen Finger. Als der Mann schrie, verlagerte Kurtz den Griff auf den Zeigefinger und bog ihn weit zurück, wobei er Hand und Arm irgendwo dort einklemmte, wo sich unter dem Fettpolster des anderen die Schulterblätter verbergen mussten. »Gehen wir nach oben«, flüsterte Kurtz und trat in ein Treppenhaus, in dem es intensiv nach Kohl roch. Er trat die Tür hinter sich zu, wirbelte den schweren Koloss herum und half ihm die ersten Stufen hinauf, indem er die notwendige Hebelkraft auf seinen gebrochenen Finger ausübte.
»Timmy?«, rief eine bebende Stimme aus dem ersten Stock. »Ist alles in Ordnung? Timmy?«
Kurtz blickte auf die schluchzende, heulende Fleischmasse, die vor ihm die Treppe hinaufstolperte. Timmy?
Der Treppenabsatz im ersten Stock führte zu einem beleuchteten Salon, in dem ein alter Mann im Rollstuhl saß. Der Mann war kahl und am ganzen Körper mit Leberflecken übersät, seine nutzlosen Beine wurden von einer Reisedecke verhüllt, und er hielt einen stahlblauen .32-Revolver in der zitternden Hand.
»Timmy?«, bebte der alte Mann. Er blinzelte sie durch flaschenbodendicke Brillengläser aus einem altmodischen schwarzen Gestell an.
Kurtz achtete darauf, dass
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