Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
loswerden«, sagte Angelina.
»Ich weiß. Irgendwelche Probleme mit Marco?«
»Kein Pieps. Er hockt mit Handschellen im Badezimmer. Scheint von dem Ganzen leicht amüsiert zu sein. Marco ist offenbar intelligenter, als ich dachte.«
»Mag sein. Hält sich jemand im Stockwerk unter uns auf?«
»Fünf Leute arbeiten dort – keine Muskeln, nur Buchhalter –, aber sie sind um sechs nach Hause gegangen. Nur Marco und Leo haben die Mitarbeiterwohnungen dort genutzt.«
»Ich dachte, Little Skag hätte neue Handlanger einfliegen lassen.«
»Hat er auch. Acht weitere neue Leute neben Marco und Leo. Aber sie sind alle unterwegs und haben zu tun – kümmern sich um den Rest von Stevies Unternehmungen, um die Huren und das Glücksspiel und das restliche Tagesgeschäft. Sie sind nur ganz selten hier.«
»Wer sonst?«
»Albert Bell ist der Anwalt, der als Verbindungsmann zwischen Little Stevie und mir fungiert. Ich treffe Mr. Bell normalerweise samstags.«
»Aber Marco und Leo erstatten Little Skag jeden Mittwoch telefonisch Bericht?«
»Genau. Stevie ruft seinen Anwalt an. Der leitet den Anruf dann weiter. Ich weiß nicht, wo die Boys das Gespräch entgegennehmen.«
»Marco wird es uns verraten«, erkannte Kurtz. Er fühlte sich sehr müde. »Sind Sie bereit, die Tiefkühlware zu transportieren?«
»Ich gehe runter und fahre das Town Car rückwärts an den Aufzug.«
»Ich brauche einen großen Kleidersack, ein Bettlaken, irgendwas in der Art.«
»Einen Duschvorhang«, schlug Angelina vor. »Mit kleinen blauen Fischen drauf. Ich habe mich bereits darum gekümmert.«
Angelina setzte sich hinter das Steuer. Sie nahmen den Buffalo Skyway nach Süden am See entlang. Es schneite jetzt heftiger, die Sicht beschränkte sich auf zwei Lichtkegel, die vergeblich versuchten, den weißen Flockenteppich zu durchdringen. Die erhöhte Fahrbahn der Schnellstraße war trügerisch glatt. Nur das massive Gewicht des Lincoln Town Car hielt sie auf der Straße, wenn der Heckantrieb kurz durchdrehte und dann wieder griff. Kurtz verfolgte die entsetzliche Vision, wie sie sich festfuhren und ein freundlicher Polizist anhielt, um ihnen zu helfen. Er würde nur eben schnell die Schneeketten, die sie ja sicherlich dabeihatten, aus ihrem Kofferraum holen ...
»Ist es weit?«, fragte er.
»Nicht weit. In der Nähe von Hamburg.«
»Was ist in der Nähe von Hamburg?«
»Mein Vater und mein älterer Bruder sind im Februar immer zum Eisfischen in eine Hütte nicht weit vor der Küste gefahren. Manchmal haben sie Little Stevie mitgeschleppt, der die ganze Zeit rumquengelte und schmollte. Ich war selber ein paarmal dabei. Wenn es etwas Dämlicheres gibt, als in einer eingeschneiten Hütte zu hocken und auf ein Loch im Eis zu starren, dann habe ich jedenfalls noch nicht davon gehört. Aber einige der alten Capos halten stur an der Hütte fest, obwohl es keine Farinos mehr gibt, die sie benutzen.«
»Ich wusste nicht, dass man auf dem Eriesee Eisfischen kann. Ist die Eisschicht denn dick genug, dass sie trägt?«
»Wir werden es mit diesem Wagen ausprobieren.«
»Aber fahren nicht auch noch große Schiffe über den See?«
»Ja.«
Das war alles, was Kurtz zu dem Thema wissen wollte. Er konzentrierte sich darauf, wach zu bleiben, während der große Wagen langsam durch das Schneegestöber kroch. Als sie vom Skyway herunterfuhren und auf dem Highway 5 kleinere Küstenorte wie Locksley Park und Mount Vernon passierten, gab es weniger Glatteis, dafür aber mehr Schnee.
»Sind Sie immer noch bei dieser Sache dabei, Kurtz?«
Ihre Stimme schreckte ihn auf. »Was? Welche Sache?«
»Sie wissen schon, die Gonzaga-Sache.«
»Fragen Sie mich später noch mal.«
Angelina fuhr ein paar Minuten lang schweigend weiter.
»Warum verraten Sie mir nicht, wie Ihr wirklicher Plan aussieht«, startete Kurtz einen neuen Anlauf. »Wie Ihre Absichten aussehen, Ihre langfristigen Ziele. Bis jetzt haben Sie nur versucht, mich wie einen gottverdammten Hamas-Selbstmordattentäter für ihre Zwecke zu missbrauchen.«
»Und Sie haben mich benutzt«, erklärte sie. »Sie waren bereit, meinen Tod billigend in Kauf zu nehmen, um an Emilio heranzukommen.«
Kurtz würdigte diese Unterstellung nicht mit einer Antwort. Er wartete.
»Wenn Little Skag im Frühling aus Attica entlassen wird, ist es zu spät«, erklärte Angelina. »Dann bin ich geliefert. Die ganze Farino-Familie ist erledigt. Stevie glaubt, dass er diesen Tiger bändigen kann, aber Emilio wird ihn innerhalb
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