Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
zu ihm um. »Hallo Donnie«, sagte Kurtz.
Kapitel 31
Hansen fuhr zum Royal Delaware Arms, um die 38er in Kurtz’ Hotelzimmer zu deponieren, als sein Mobiltelefon klingelte. Er wollte es zuerst ignorieren – das Leben von Captain Robert Millworth war effektiv beendet –, doch dann überlegte er sich, dass er das Gespräch besser annahm. Auf der Polizeiwache sollte man sein Verschwinden frühestens in 24 Stunden bemerken.
»Hansen?«, fragte die Stimme eines Mannes. »James B. Hansen?«
Hansen schwieg, musste aber mit dem Escalade an den Straßenrand fahren. Es war Joe Kurtz’ Stimme. Musste es sein.
»Oder Millworth?«, erkundigte sich die Stimme. Der Mann fuhr fort, ein halbes Dutzend weiterer ehemaliger Identitäten von Hansen aufzuzählen.
»Kurtz?«, kam Hansen endlich zu Wort. »Was wollen Sie? «
»Es geht nicht darum, was ich will, sondern was Sie vielleicht wollen.«
Eine Erpressung, dachte Hansen. Das Ganze lief letztendlich auf eine Erpressung hinaus . »Ich höre.«
»Ich wusste doch, dass Sie mir Ihr Ohr schenken würden. Ich habe Ihre Souvenirs bei mir. Hochinteressantes Material. Ich dachte, Sie möchten es vielleicht gern zurück.«
»Wie viel?«
»Eine halbe Million Dollar«, sagte Kurtz. »Natürlich in bar.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich so viel Bargeld verfügbar habe?«
»Ich denke, dass die 200 Riesen, die ich heute in Ihrem Safe gefunden habe, lediglich die Spitze des Eisbergs sind, Mr. Hansen«, verkündete Kurtz. »Viele der Leute, in deren Identität sie geschlüpft sind, haben eine Menge Geld verdient – ein Börsenmakler, ein Immobilienhai in Miami, ein Schönheitschirurg, weiß Gott, was noch. Sie haben das Geld.«
Hansen musste lächeln. Der Gedanke, Kurtz und Frears lebendig zurückzulassen, hatte ihm ohnehin nicht gefallen. »Treffen wir uns. Jetzt im Moment habe ich 100.000 in bar bei mir.«
»Goodbye, Mr. Hansen.«
»Warten Sie!«, rief Hansen. Das Knacken in der Leitung verriet ihm, dass Kurtz noch dran war. »Ich will Frears«, sagte Hansen.
Das Schweigen zog sich hin. »Das würde Sie weitere 200.000 kosten«, erklärte Kurtz schließlich.
»Alles, was ich in bar zusammenkratzen kann, sind 300.000.«
Kurtz lachte in sich hinein. Es war kein angenehmes Geräusch. »Was soll’s. Warum nicht? Okay, Hansen. Wir treffen uns im alten Hauptbahnhof von Buffalo um Mitternacht.«
»Mitternacht ist zu spät ...«, begann Hansen, aber Kurtz hatte bereits aufgelegt.
Hansen blieb ein paar Minuten im Wagen sitzen, beobachtete, wie die Scheibenwischer des Escalade vergeblich gegen das Schneetreiben ankämpften, und versuchte, an nichts zu denken, seinen Geist in einen neutralen Zen-Zustand zu versetzen. Es war unmöglich, das Hintergrundrauschen der Geschehnisse auszublenden – es sank auf ihn herab wie der Schnee. Hansen hatte seit Jahren kein Turnierschach mehr gespielt, aber der dafür zuständige Teil seines Geistes lief jetzt auf Hochtouren. Frears und Kurtz – er musste sie als Einheit, als Partner, als einzelnen Gegner mit zwei Gesichtern betrachten – hatten diese Partie erst interessant gemacht. Jetzt konnte Hansen wählen, ob er gehen und sich für immer an die im Spiel erstarrten Figuren erinnern, ob er das Schachbrett mit dem Arm leer fegen oder sie mit einem überraschenden Zug mattsetzen wollte.
Bis jetzt war das Team Kurtz/Frears die ganze Zeit in der Offensive gewesen, auch wenn Hansen sich selbst in der Rolle des Angreifers gesehen hatte. Irgendwie waren sie über seine gegenwärtige Identität gestolpert – wahrscheinlich John Wellington Frears’ Beitrag zu diesem Spiel –, und ihre nachfolgenden Züge waren wenig überraschend. Der Einbruch in sein Haus, um die Beweismittel zu sichern, war ein Schock, aber rückblickend betrachtet zu erwarten gewesen. Doch sie waren nicht zur Polizei gegangen. Das hieß, dass es eines von drei möglichen Endspielen geben würde – a) Frears-Kurtz wollten ihn töten; b) Kurtz trieb ein doppeltes Spiel mit seinem Partner, um die Erpressung durchzuziehen, und würde Hansen vielleicht wirklich Frears’ Aufenthaltsort verraten, wenn er das Geld bekam; oder c) Frears-Kurtz wollten seinen Tod und die Kohle.
Nach allem, was Hansen über John Wellington Frears wusste, war der Schwarze weitaus zivilisierter, als ihm guttat. Sogar nach zwei Jahrzehnten Brüten über den Tod seiner Tochter war Frears vermutlich immer noch nicht dazu in der Lage, einen anderen Menschen umzubringen. Er würde sich eher dafür
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