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Joe von der Milchstraße

Joe von der Milchstraße

Titel: Joe von der Milchstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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tun. Jeder von Ihnen wird in die ›Aquatische Sub-Welt‹ hinabsteigen müssen, in der Amalitas Gesetze keine Macht haben. Auch Glimmung wird unvermeidlich in die Sub-Welt hinuntersinken, in der Borels schreckliche Travestie der Wirklichkeit alles ausfüllt und umhüllt.«
    »Ich dachte, Glimmung sei eine Gottheit«, sagte Joe. »Wegen seiner unermeßlichen Stärke und Macht.«
    »Götter fallen nicht zehn Stockwerke tief in den Keller!« sagte der Roboter.
    »Das scheint mir eine vernünftige Erklärung zu sein«, sagte Joe zustimmend.
    »Die Kriterien für die Göttlichkeit eines Wesens«, erklärte der Roboter, »sind erstens: Unsterblichkeit. Das trifft bei Amalita und Borel zu; bei Glimmung ist es nicht der Fall. Das zweite Kriterium –«
    »Wir kennen die anderen beiden Kriterien sehr wohl!« unterbrach Mali ihn barsch. »Unbegrenzte Macht und unbegrenztes Wissen.«
    »Dann haben Sie mein Pamphlet gelesen!« sagte der Roboter.
    »Lieber Himmel!« sagte Mali mit verächtlichem Ton.
    »Wenn Sie mit Himmel den terranischen meinen«, sagte der Roboter, »fällt mir Christus ein. Er ist eine interessante Gottheit, weil seine Macht nur begrenzt war; außerdem hatte er nur Teilwissen und ist gestorben. Er erfüllte also keine der drei Voraussetzungen.«
    »Und wie entstand dann das Christentum?« fragte Joe.
    »Es entstand«, erklärte der Roboter, »weil Christus folgendes tat: er sorgte sich um andere, ›Sorge‹ ist die richtige Übersetzung des griechischen Wortes ›Agape‹ und des lateinischen Wortes ›Caritas‹. Christus stand da mit leeren Händen. Er konnte niemanden erretten, nicht einmal sich selbst. Und dennoch transzendierte er durch sein Betroffensein, durch seine Achtung vor anderen –«
    »Gib uns doch einfach das Pamphlet!« sagte Mali mit müder Stimme. »Wir werden es in unserer Freizeit lesen. Und nun wollen wir unter Wasser gehen. Mach unsere Taucheranzüge fertig, worum Mr. Fernwright dich schon vorhin bat!«
    »Es gibt noch eine ähnliche Gottheit auf Beta 12«, sagte der Roboter. »Diese Gottheit erlebte den Tod jedesmal, wenn ein anderes Wesen auf ihrem Planeten starb. Sie konnte nicht an seiner Stelle sterben, aber sie starb mit ihm. Dann, wenn ein neues Wesen geboren wurde, erlebte auch der Gott eine Wiedergeburt. Auf diese Weise erlebte er zahllose Tode und Wiedergeburten, im Gegensatz zu Christus, der nur einmal starb. Auch das wird in meinem Pamphlet behandelt. Alles wird in meinem Pamphlet behandelt.«
    »Dann bist du ein Kalende!« sagte Joe.
    Der Roboter sah Joe an. Lange und intensiv. Er schwieg.
    »Und dein Pamphlet«, sagte Joe, »ist das Buch der Kalenden.«
    »Nicht genau«, sagte der Roboter schließlich.
    »Inwiefern?« fragte Mali scharf.
    »Insofern, als daß meine diversen Pamphlete auf dem Buch der Kalenden basieren.«
    »Aus welchem Grund?« fragte Joe.
    Der Roboter zögerte einen Moment. »Ich hoffe, eines Tages freischaffender Schriftsteller zu sein.«
    »Bring uns unsere Anzüge!« sagte Mali, die die Müdigkeit zu überwältigen drohte.
    Ein merkwürdiger Gedanke schoß Joe durch den Kopf. Möglicherweise hatte die Diskussion über Christus ihn hervorgerufen. »›Sorge‹«, sagte er laut, den Ausdruck des Roboters wiederholend. »Ich glaube, ich weiß, was du damit meinst. Auf der Erde passierte mir einmal etwas Seltsames. Eigentlich etwas ganz Unwichtiges. Als ich eine Tasse, die ich kaum je benutzte, aus dem Schrank nahm, fand ich darin eine tote Spinne. Sie war verhungert. Offenbar war sie in die Tasse gefallen und nicht mehr herausgekommen. Jetzt kommt es. Auf dem Boden der Tasse hatte sie sich ein Netz gesponnen. Ein so gutes Netz, wie eben unter den Umständen möglich. Als ich sie fand, wie sie tot in der Tasse lag mit ihrem kleinen, hoffnungslosen Netz, da dachte ich; Sie hatte nie eine Chance. Es wären keine Fliegen gekommen, und wenn sie ewig gewartet hätte. Sie hatte gewartet, bis sie tot war. Sie hatte versucht, das Beste aus den Umständen zu machen, aber es war hoffnungslos. Ich fragte mich immer, ob sie gewußt hatte, daß es hoffnungslos war, ob sie das Netz gesponnen hatte, obwohl sie wußte, daß es keinen Zweck haben würde.«
    »Eine kleine Tragödie«, sagte der Roboter, »wie sie im Leben täglich unbemerkt milliardenmal geschehen. Nur Gott bemerkt sie, wie ja in meinem Pamphlet steht.«
    »Aber ich verstehe«, sagte Joe, »was du mit ›Sorge‹ meinst. Betroffenheit; das finde ich treffender. Ich fühlte mich von dem Ereignis

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