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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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nicht weiter.
    Mit aller Kraft klammert er sich am Brückenbogen fest. Er kann sich nicht rühren. Weder vor noch zurück. Er hat plötzlich ein Gefühl von Wärme an dem einen Bein. Aber woher das kommt, weiß er nicht. Ein einziges Mal schreit er gellend in der Dunkelheit. Was dort tief unter ihm geschieht, weiß er nicht. Plötzlich meint er den Laster vom alten Maurer zu hören. Oder ist es die Posaune von der nasenlosen Gertrud? Otto steht da und lacht. Frau Nederström ist auch da, und sie ist wütend. Die ganze Brücke ist voller Menschen, die lachen. Die ganze Schule steht auf der Brücke und lacht und zeigt zu ihm hinauf.
    Und da ist auch die Stimme von Papa Samuel. Aber er lacht nicht. Er ruft etwas. Joel kann ihn jedoch nicht verstehen, weil die Stimme von so weit her kommt. Langsam kommt die Stimme näher. Jetzt hört er Papa Samuel ganz nahe.
    »Bleib ganz still liegen. Beweg dich nicht, Joel. Beweg dich nicht…«
    Warum sagt er das? Er kann sich doch gar nicht bewegen. Tausend Jahre wird er hier oben auf dem Brückenbogen liegen.
    Jetzt ist Papa Samuels Stimme sehr nah. »Beweg dich nicht«, flüstert er. »Bleib ganz still liegen. «
    Dann geschieht etwas, das wird er nie vergessen, solange er lebt. Er kann nichts sehen, weil er das Gesicht gegen den kalten Brückenbogen preßt. Aber er spürt Papa Samuels Hand. Er weiß, daß sie Papa Samuel gehört. Diese Hand ist einzigartig auf der ganzen Welt. Er spürt die Hand und hört Papa Samuels Stimme hinter sich.
    »Kriech rückwärts, langsam. Ich halt dich fest.« Langsam kehrt Joel zur Erde zurück. Langsam rutscht er nach unten mit seinen gefühllosen Armen und Beinen. Die ganze Zeit flüstert Papa Samuel beruhigend auf ihn ein.
    Endlich spürt er an einem Fuß das Brückengeländer. Papa Samuel hebt ihn herunter und preßt ihn fest an sich. Dann wird er in ein Auto gehoben, und am Steuer sitzt der alte Maurer.
    Ture taucht flüchtig am Autofenster auf.
    Joel sieht, daß sich sein Gesicht verändert hat. Ture hat Angst…
    Papa Samuel trägt ihn die Treppe hinauf, und die alte Westman steht in ihrer Tür und guckt.
    Er hört Papa Samuel von einem Unglück erzählen, das gar nicht passiert ist.
    Dann liegt er in seinem Bett, und Papa Samuel reibt seine Füße. Er trinkt etwas Warmes, und dann will er nur noch schlafen.
    Aber ehe er einschläft, will er, daß Papa Samuel ihm vom Meer erzählt. Von Dünung und Delphinen, von den warmen Monsunwinden, die aus Indien kommen. Immer noch ist ihm, als ob er sich an den kalten Eisenbogen festklammerte.
    Papa Samuel erzählt von den warmen Monsunwinden, und da kann er den Brückenbogen langsam loslassen. Dann wird alles ein Traum.
    »Celestine« wächst aus ihrer Vitrine heraus, und plötzlich ist sie ein großes Segelschiff, das in der Abendsonne auf der Dünung dümpelt. Sie wartet auf Wind. Joel liegt in seiner Koje unter Deck. Sachte rollt er vor und zurück, tiefer und tiefer in den Schlaf…

8
    Am nächsten Tag erfährt Joel, was passiert ist. Als er wach wurde, saß Papa Samuel auf seiner Bettkante, und durch den Türspalt konnte er die alte Westman in der Küche mit einem Kochtopf hantieren sehen. Noch ehe Papa Samuel das Rollo hochzog, wußte Joel, daß der Frühling nah war. Er hörte es am Gezwitscher der Vögel vor seinem Fenster.
    Als er aufwachte, fror ihn nicht mehr. Aber die Knie taten ihm weh, und als er eine Hand unter die Bettdecke steckte, fühlte er Schorf an beiden Beinen.
    An diesem Tag ist Papa Samuel nicht in den Wald gegangen. Er saß an Joels Bettkante und erzählte. Ture war klargeworden, daß Joel es niemals schaffen würde, vom Brückenbogen herunterzuklettern. Er war hinausgelaufen auf die erleuchtete Straße, und da war Simon Urväder in seinem Laster angefahren gekommen. Ture hatte sich mitten auf die Straße gestellt und mit beiden Armen gewinkt. Simon Urväder konnte kaum verstehen, was Ture sagte, so aufgeregt und atemlos war Ture gewesen, und außerdem sprach er ja seinen komischen Dialekt.
    Aber soviel hat Simon Urväder begriffen, daß ein Unglück passiert war oder daß eins passieren würde.
    Sie waren zur Eisenbahnbrücke gefahren, und dort hat er das Bündel gesehen, das an der höchsten Stelle des Brükkenbogens hing und sich festklammerte. Auf seine Frage, wer das sei, hat Ture Joels Namen genannt, und da wußte Simon Urväder, daß es derselbe Junge war, mit dem er auf dem See der Vier Winde gewesen ist. Er hat Ture auf der Eisenbahnbrücke zurückgelassen und ist

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