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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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    Das Leben besteht aus viel zu vielen Vielleicht, denkt Joel. Und viel zuwenig, was man mit letzter Gewißheit weiß. Papa Samuel steht am Fenster und hält nach ihm Ausschau, als er kommt. Joel winkt und versucht, die Treppe in drei Sätzen zu nehmen. Es gelingt ihm fast. Bald schafft er es ganz…
    Am nächsten Tag geht er wie immer in die Schule. Niemand scheint zu wissen, was auf der Brücke passiert ist. Nicht mal Otto, der auch wieder da ist, kommt mit seinem verächtlichen Lächeln über den Schulhof.
    Joel begreift, daß er jetzt ein großes Geheimnis mit sich herumträgt.
    Abends zieht er sich nach dem Essen an, um wegzugehen.
    »Schon wieder?« fragt Papa Samuel. »Was willst du denn draußen machen?«
    Am liebsten würde Joel ihm alles erzählen. Daß er nachsehen will, ob die nasenlose Frau zu Hause ist. Aber er sagt nichts. Vielleicht würde Papa Samuel anfangen, unbequeme Fragen zu stellen, warum er jemand besuchen will, um den sich sonst niemand kümmert, nur die Tanten aus der Freikirche. Gewissen Fragen muß man ausweichen. Wenn man nicht lügen will, gibt es nur eine gute Antwort.
    »Mal sehen«, sagt Joel. »Ich weiß noch nicht. Aber ich komm bald wieder.«
    Als er über die Brücke läuft, muß er stehenbleiben und hinauf zu den Eisenbogen schauen. Schade, daß er seinen Namen nicht da oben eingeritzt hat. Wenn jemand anders den Bogen hinaufklettert, könnte er feststellen, daß er nicht der erste ist, der die Brücke bestiegen hat. Joel sieht sofort, daß die Nasenlose versucht hat, den Firnis von den Johannisbeerbüschen abzukratzen, und die Zweige, die schon ganz vom Firnis erstickt worden sind, hat sie abgeschnitten.
    Er bleibt vor der Gartenpforte stehen und überlegt, was er sagen soll. Er kann ja nicht sagen, daß sie ihr Ameisen durchs Fenster geworfen haben, weil sie das lustig fanden. Das ist eine schlechte Erklärung. Eine, von der man böse werden kann.
    Angst einjagen, hatte Ture gesagt. Aber Tures Worte will er nicht benutzen. Außerdem ist er gar nicht sicher, ob er richtig verstanden hat, was Ture gemeint hat. Es gibt nur eine Erklärung.
    Er wird sagen, daß er nicht weiß, warum er es gemacht hat.
    Und obwohl er nicht dabei war, als Ture die Johannisbeerbüsche mit Firnis eingeschmiert hat, wird er das nicht sagen…
    Ture gibt es nicht.
    Er klopft an die Tür.
    Nach einer Weile klopft er noch einmal.
    Immer noch öffnet niemand. Hinter mehreren Fenstern ist Licht. Dann muß sie doch zu Hause sein. Aber warum öffnet sie nicht? Er klopft noch einmal, hämmert fast. Da hört er, wie die Gartenpforte kreischt.
    Er glaubt, es ist Ture, der ihn verfolgt hat. Aber es ist die Nasenlose. Unter einem Arm trägt sie ein großes Paket. »Du kommst gerade recht«, sagt sie. »Halt mal das Paket. Aber laß es nicht fallen.«
    Sie holt ein großes Schlüsselbund hervor und wählt einen Schlüssel aus. Joel sieht, daß mindestens fünfzig Schlüssel an dem Bund hängen. Sie schließt auf, und im Vorraum gibt er ihr das Paket zurück.
    »Joel«, sagt sie, »ich hab mir schon gedacht, daß du kommst.«
    Joel mag es nicht, wenn andere Leute schon vorher wissen, was er tun will. Das ist ja, als ob sie aus weiter Entfernung seine Gedanken lesen könnten. Sie dringen in sein geheimstes Versteck ein. Seinen eigenen Kopf.
    »Ich bin zufällig vorbeigekommen«, sagt er, aber im nächsten Augenblick bereut er die schlechte Antwort. Niemand kommt zufällig in einer Sackgasse vorbei.
    Rasch beschließt er, seinen Auftrag sofort zu erfüllen, seine Erklärung abzugeben.
    »Ich weiß nicht, warum ich es getan habe«, murmelt er. Eigentlich hat er das mit lauter, energischer Stimme sagen wollen. Aber in seinem Hals scheint plötzlich ein Knick zu sein. Seine Stimme bricht.
    »Es ist schon in Ordnung«, sagt sie. »Ich weiß, daß du es nicht noch einmal tun wirst. Jetzt wollen wir nicht mehr davon reden. Zieh dir die Schuhe aus, dann zeig ich dir, was in dem Paket ist.«
    Plötzlich muß sie niesen. Sie hält sich die Hände vors Gesicht und niest zweimal, dreimal.
    Wie kann man niesen, wenn man keine Nase hat? denkt Joel. Niest sie mit dem Mund?
    Er folgt ihr in die Küche. Vorsichtig packt Gertrud das Paket aus. Es enthält einen Globus.
    »Den hab ich auf dem Dachboden der Kirche gefunden«, sagt sie. »Wie der dahin geraten ist, weiß kein Mensch. Aber guck mal hier.« Sie zeigt auf einen Punkt auf dem Globus. Sie zeigt auf Afrika, und Joel sieht, daß jemand irgendwo in Afrika ein Loch in den

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