Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung
mit Fußballbildern konnte man an vielen Stellen kaufen. Beim Kiosk am Bahnhof hatte er am meisten Glück gehabt. Da hatte er noch nie fette Ringerbilder bekommen.
Er kaufte acht Schachteln. So viele hatte er noch nie in der Hand gehabt. Er ging in den Wartesaal und setzte sich auf eine Bank in einer Ecke. Hin und wieder warf er einen Blick zum Fahrkartenschalter. Der Bahnhofsvorsteher, der Knif hieß, mochte es nicht, wenn man sich im Wartesaal aufhielt, ohne auf Reisen zu sein. Wenn man nicht aufpaßte, schlich er sich an und packte einen am Ohr. Außer Joel war nur noch eine alte Frau im Wartesaal, die in einer Ecke saß und schlief. Joel fürchtete schon, Knif könnte sie hören und sich heranpirschen, weil sie so laut schnarchte.
Joel öffnete die erste Schachtel und steckte sich einen Hustenbonbon in den Mund. Er war gelb und schmeckte säuerlich. Dann nahm er vorsichtig das Sammelbild heraus. Ein Handballspieler. Gösta Blomgren. Der war nichts wert, zwar nicht so schlecht wie ein Ringer, aber trotzdem nichts wert. Joel kannte nur zwei Jungen, die Handballspieler sammelten.
Er nahm es gelassen hin. Noch waren sieben Schachteln übrig. Ein Handballspieler konnte ihm noch keine schlechte Laune verursachen. Er warf einen Blick zum Fahrkartenschalter und öffnete die nächste Schachtel. Er zerbiß den Rest vom Bonbon und steckte sich zwei neue in den Mund. Er brauchte nicht sparsam zu sein. In jeder Schachtel waren mindestens zweiundzwanzig. Einmal hatte er eine Schachtel bekommen, in der waren sogar vierundzwanzig. Aber nie waren es weniger als zwanzig. Er hatte sie mehrere Jahre gezählt und Statistiken darüber geführt.
Das nächste Sammelbild. Ein Eishockeyspieler. Anders »Acka« Anderson. Mit großen Augen glotzte er Joel an. Joel kicherte bei dem Gedanken, daß »Acka« geschrumpft war, bis er in die Schachtel paßte. Wie ein Plattbild. Ein Plattkopf.
Eishockeyspieler waren ganz gut. Die konnte man leicht tauschen. Hatte man drei oder vier gute Eishockeyspieler, konnte man sie gegen ein seltenes Fußballerbild tauschen.
Als Joel die fünfte Schachtel öffnete, fand er einen Ringer. Einen richtig fetten Ringer, der Arne Blumgren hieß.
Blumenkohl, dachte Joel wütend und stopfte sich vier Bonbons in den Mund. Immer noch kein Fußballspieler. Er hatte kein Glück mehr. Ein Handballspieler, zwei Eishockeyspieler, ein Bandy-Idiot, und jetzt ein Ringer. Nur noch drei Schachteln. Jetzt riß er die Deckel von allen dreien fast gleichzeitig ab. Noch ein Ringer! Zweimal derselbe Ringer. Blumenkohl! Wie zum Teufel war das möglich? Wie wurden diese Schachteln eigentlich gepackt? Aus Rache steckte Joel sich den Inhalt einer ganzen Schachtel in den Mund. Nicht ein einziger Fußballspieler in acht Schachteln! Auf den beiden letzten Bildern waren ein Radfahrer und eine Fechterin. Ein Mädchen, das sich mit einer Art Säbel schlug. Wie kamen die bloß darauf, ein Weib in eine Hustenbonbonschachtel zu stecken?
Joel war außer sich. Er sah auf die schlafende Alte in der Ecke. Der Mund stand offen, und die Zunge hing heraus.
Vorsichtig tappte er über den Fußboden und legte ihr das Bild mit dem Fechtweib auf die Zunge.
Dann lief er raus und knallte die Bahnhofstür so laut zu, wie er konnte.
Auf dem Weg zu seinem Fahrrad warf er wütende Blicke zum Kiosk hinüber. Wenn er gekonnt hätte, er hätte befohlen, daß sich die Erde öffnet und der ganze Kiosk von dem Raubtier da unten verschluckt würde.
Es war fast elf. Er merkte, daß er Hunger hatte. Er schüttete sich den Inhalt einer weiteren Schachtel in den Mund und fuhr nach Hause. Als es den Hügel abwärts zur Lagerverwaltung und zum Haus des Tierarztes ging, ließ er den Lenker los und schloß die Augen. Er hielt sie geschlossen und zählte ganz schnell bis zehn. Bevor er zwölf Jahre alt wurde, wollte er blind fahren und dabei bis fünfundzwanzig zählen können. Das hatte er beschlossen. Als er in die Küche kam, goß er sich als erstes ein großes Glas Milch ein und kippte die restlichen Bonbons auf die Wachstuchdecke. Hundertdreiundzwanzig Stück. Wären es Perlen gewesen, er wäre reich.
Er legte die Bonbons zurück und steckte die Schachteln in den Schuhkarton, den er unter seinem Bett verwahrte. Auf den Deckel hatte er einen schwarzen Totenkopf gemalt, und niemand würde es wagen, den Karton zu öffnen. Ein Bindfaden, der unter dem Deckel heraushing, könnte auch eine Zündschnur sein…
Als er wieder in die Küche kam, merkte er, daß er
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