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Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Titel: Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dachte Joel. Wenn man Häuser, Straßen, Füße und alles über seinem Kopf hat.
    Der Käsemann, der David hieß und hier unter der Erde arbeitete, war bestimmt ein guter Mann für Gertrud. Und nicht nur für sie, sondern auch für Joel. Er kannte niemanden, der hier in der Unterwelt gewesen war. Er dachte hastig, daß er den Namen seines Geheimbundes ändern würde. Jetzt suchte er ja nicht mehr nach einem Hund, also mußte er sich einen neuen Namen einfallen lassen.
    Herren der Unterwelt, dachte er. Der Käsemann und ich könnten das sein…
    »Hier die Kajüte«, sagte der Barfußmann und blieb stehen.
    Sie waren wieder in der Nähe des Raubtieres. Joel hörte das Getöse.
    »Ich muß Holz nachwerfen«, sagte der Barfußmann. »Warte so lange hier drinnen.«
    Joel betrat die Kajüte des Barfußmannes. Der Raum war nicht groß, kaum größer als ein Kellerverschlag. An einem Kabel baumelte eine einsame Glühlampe von der Decke. Es gab einen wackligen Tisch und ein paar Klappstühle. An den Wänden hingen Bilder, die aus Zeitungen gerissen waren. Darauf waren fast nackte Frauen. Eine Frau erinnerte Joel an Sara. Jedenfalls hatte sie genauso große Brüste wie Sara. Joel setzte sich auf einen Stuhl. Nachdem er sich zurechtgesetzt hatte, löste sich die Lehne. Er stellte den Stuhl zurück und setzte sich auf einen anderen. Aber der quietschte und knarrte so sehr, daß er sich nicht traute, sitzen zu bleiben. Er setzte sich lieber auf eine umgedrehte Bierkiste, die in der Ecke stand.
    Alles war still. Durch die dicken Wände und die geschlossene Tür war das Raubtier nicht zu hören. Die Stille der Unterwelt war eine neue Stille. Joel lauschte. Er stellte sich vor, das Haus, in dem er mit Papa Samuel wohnte, wäre genau über seinem Kopf. Das Haus, das eigentlich ein Schiff war, das an seinen Ankerketten riß und auf Wind wartete.
    Aber wenn das Haus ein Schiff war, dann war die Unterwelt der Meeresgrund. Und dort saß Joel auf einer Bierkiste …
    Plötzlich wurde es schwer, alle Gedanken auseinanderzuhalten.
    Joel spürte die beiden Geldmünzen in seiner Tasche. Wenn er sie klirren ließ, verschwanden Meeresboden und Ankerketten.
    Er erhob sich und ging im Raum herum. Die halbbekleideten Frauen auf den herausgerissenen Zeitungsseiten sahen ihn an. Warum kam der Barfußmann nicht wieder?
    Hatte der Herrscher des Feuers ihn verschlungen? Joel warf sich mit einem Tigersprung gegen die Tür. Vielleicht hatte der Barfußmann ihn eingesperrt? Die Tür war offen.
    Joel schob sie vorsichtig auf und spähte in den Korridor. Das Stahltor zum Saal des Raubtiers war angelehnt. Joel beschloß, sich davonzuschleichen. Er brauchte weder auf den Barfußmann noch auf David zu warten. Er wußte ja, daß David der richtige Mann für Gertrud war. Er würde ihr den Herrscher der Unterwelt als seine gute Tat anbieten. Wie sollte sie der Gabe widerstehen können? Aber der Barfußmann würde sich vielleicht wundern, wenn Joel einfach verschwand. Und David würde sich Gedanken machen, wer wohl sein unbekannter kleiner Bruder sein mochte.
    Joel schob die Tür zum Saal des Raubtiers auf. Es lärmte und donnerte, und die Wärme schlug ihm ins Gesicht. Weit entfernt zwischen den Rohren sah er den Barfußmann Holzkloben in den aufgerissenen Rachen werfen. Als Joel bei ihm ankam, hatte er gerade den letzten Holzkloben hineingeworfen und richtete sich auf. »Ich muß gehen«, sagte Joel. »Aber grüß David von mir. Vielleicht komm ich morgen wieder.«
    Der Barfußmann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus der Stirn. »Ich wußte gar nicht, daß David einen kleinen Bruder hat«, sagte er.
    Ich wußte auch nicht, daß ich einen großen Bruder hab, dachte Joel.
    »Findest du allein raus?« fragte der Barfußmann. Joel nickte.
    Der Barfußmann öffnete ihm die schwere Tür. Dann wuselte er ihm durchs Haar. »Ähnlich seht ihr euch wirklich nicht«, sagte er. »David ist blond, und du bist braun wie ein alter Fuchs.«
    »Wir haben verschiedene Mütter«, sagte Joel. »Ich muß jetzt gehen.«
    Als er wieder in der großen Halle ankam, war sie immer noch leer. Der Telefonhörer schaukelte an seiner Schnur.
    »Tschüs!« rief Joel, so laut er konnte. Es hallte zwischen den Wänden wider. Dann lief er hinaus zu seinem Fahrrad.
    Vor Leanders Konditorei hielt er an und betrachtete den Gullydeckel auf der Straße. Da unten war er gewesen. Tief in der Unterwelt.
    So schnell er konnte, fuhr er zum Kiosk am Bahnhof hinauf. Hustenbonbonschachteln

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