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Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Titel: Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sieht er das Vogelbad, das von einer Laterne schwach beleuchtet wird. Noch ist niemand da. Auf dem trüben Wasser des Vogelbades schwimmen rote Blätter.
    Joel läuft zum Holzschuppen und schlüpft in seinen Schatten. Dabei stößt er gegen einen Schlitten, der dort steht, und zuckt zusammen. Wieder raschelt es zu seinen Füßen. Die Mäuse sind auf dem Weg in die Wohnhäuser. Das passiert jeden Herbst. Und jetzt ist Herbst. Joel spürt, wie kühl die Luft ist, die er einatmet.
    In der Ferne schlägt die Kirchturmuhr dreimal. Noch eine Viertelstunde.
    Niemand kommt, denkt er. Weder der Käsemann noch Gertrud.
    Plötzlich überfällt ihn Angst. Wenn sie nun einmal erkannt haben, daß
er
die Briefe geschrieben hat! Vielleicht läßt Gertrud ihn nie wieder in ihr Haus.
    Können gute Taten in böse verwandelt werden? Plötzlich hört er es von der Straße auf dem Kies knirschen.
    Das sind keine Mäuse. Das sind Füße. Da kommt jemand.
    Ein schwarzer Schatten gleitet am Vogelbad vorbei. Joel traut seinen Augen nicht. Es ist Frau Nederström! Was macht sie hier?
    Eine neue Angst kriecht heran. Haben der Käsemann und Gertrud gepetzt? Sind sie so gemein, daß sie Frau Nederström an ihrer Stelle schicken?
    Joel ist fluchtbereit.
    Aber Frau Nederström bleibt nicht beim Vogelbad stehen. Sie geht weiter und verschwindet im Dunkeln. Die Schritte verklingen auf dem Kiesweg. Joel fällt ein, daß sie eine Schwester auf der anderen Seite des Flusses hat. Vielleicht ist sie auf dem Weg dorthin und nimmt die Abkürzung durch den Garten des Pferdehändlers.
    Joel kichert innerlich. Frau Nederström nimmt eine Abkürzung. Vielleicht klettert sie auch über Zäune? Die Uhr schlägt achtmal. Joel zählt mit, um ganz sicher zu sein… Sieben, acht.
    Die roten Blätter schwimmen im Vogelbad herum. Niemand. Keine Menschenseele. Niemand außer Joel ist gekommen.
    Es ist kalt hinterm Holzschuppen. Die Mäuse rascheln im Laub. Eine Maus raschelt besonders an der anderen Seite des Schuppens. Raschelt und raschelt. Plötzlich hustet sie. Räuspert sich. Joel erstarrt.
    Das ist keine Waldmaus. Da ist jemand auf der anderen Seite des Schuppens. Jemand, der sich genau wie Joel versteckt hat.
    Joel schließt die Augen und bildet sich ein, daß er jetzt unsichtbar ist. Am liebsten wäre er weggelaufen. Aber die Angst nagelt ihn fest. Jetzt knastert es wieder auf dem Kiesweg. Die Schritte kommen von der Flußseite.
    Dann sind sie weg. Das Husten auf der anderen Seite des Schuppens ist auch weg. Joel wagt kaum zu atmen. Wer versteckt sich hinterm Holzschuppen?
    Jetzt kommen die Schritte näher. Es ist Gertrud. Sie bewegt sich vorsichtig, als ob sie eigentlich nicht dort sein wollte, wo sie ist. Joel will rufen und zu ihr hinlaufen. Da ist jemand hinterm Holzschuppen, möchte er rufen. Dann laufen sie am Fluß entlang, über die Eisenbahnbrücke, und sie bleiben nicht eher stehen, bis sie in Gertruds Küche sind. Dort ist es warm und hell. Vielleicht holt Gertrud ihre Posaune hervor und spielt für ihn ?
    Joel schaut Gertrud an, die am Rand des Laternenlichts steht. Er sieht, daß sie ihre schönsten Kleider angezogen hat. Das Loch in der Nase hat sie mit einem Seidentaschentuch bedeckt. Joel weiß, daß sie dieses Tuch sonst kaum benutzt.
    Die Kirchturmuhr schlägt einmal. Viertel nach. Gertrud sieht sich um.
    Der Käsemann kommt nicht, denkt Joel.
    Dann bricht er seinen Gedanken ab.
    Natürlich ist es der Käsemann, der hinter dem Holzschuppen steht. Der Gertrud nachspioniert.
    Joel wird wütend. Obwohl er es ist, der das Ganze angerichtet hat, tut ihm Gertrud leid. Sie ist nicht so ein Mensch, dem man einfach nachspioniert…
    Jetzt prasselt es wieder. Das Prasseln kommt näher. Es wächst, bewegt sich auf Joel zu. Er drückt sich gegen den Schlitten. Er wagt kaum zu atmen.
    Ein Schatten gleitet an ihm vorbei.
    Aber wie kann man einen Schatten erkennen, wenn alles schwarz ist ?
    Dann hört er ein Flüstern.
    »Die blöde nasenlose Person.«
    Das ist alles. Der Schatten verschwindet lautlos hinter den Johannisbeerbüschen.
    Gertrud steht unbeweglich da, wartend.
    Die Uhr schlägt zweimal. Halb neun.
    Dann geht sie. Joel sieht, daß sie mit gesenktem Kopf geht. Sie ist traurig. Ihre Schritte klingen traurig. Sie verklingen, verstummen.
    Wütend rennt Joel durch den Garten. Er muß weg. Den halben Weg nach Hause läuft er. Als er nach dem Schlüssel unter Samuels alten Schuhen im Treppenhaus sucht, zittern ihm die Beine.
    Er knipst alles Licht in der

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