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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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unterstrichen hatte. Das konnte niemand anders als Samuel gewesen sein. Wusste er nicht mal, dass man keine Bücher mehr ausleihen durfte, wenn man darin herumstrich? Und wer würde keine Bücher mehr leihen dürfen? Natürlich er, Joel. Nicht Samuel. Der kam davon. Denn der wusste nicht, was er tat, wenn er soff. Joel legte das Buch weg. Warum hatte Samuel ausgerechnet die Stelle unterstrichen, wo erzählt wurde, dass es Pitcairn Island wirklich gab und dass heute noch Nachfahren der Meuterer dort lebten? Samuel hatte nie erzählt, dass er während seiner Seereisen auf der Insel gewesen war.
    Joel stand auf und holte Samuels großen Weltatlas. Dann begann er zu suchen. Es dauerte eine Weile. Aber schließlich fand er Pitcairn Island, ein kleiner Punkt ganz unten in einem unendlichen Meer. Keine anderen Inseln in der Nähe. Ein ganz einsamer Punkt, weit von allem entfernt. Dorthin sollte Samuel abhauen, dachte Joel. Wenn er auch keine Meuterei auf einem Schiff gemacht hatte, dann hat er doch gegen mich gemeutert. Oder hat er mich schon allein gelassen und war nach Pitcairn Island aufgebrochen? Joel wurde plötzlich nachdenklich. Könnte er vielleicht Recht haben? Dass Samuel genau das gedacht hatte? Dass er nach Pitcairn Island fliehen wollte? Genau wie Mama Jenny einmal verschwunden war. Ihren Koffer genommen hatte und einfach abgehauen war.
    Joel wusste, dass es nur eins zu tun gab. Er musste ihn suchen und fragen.
    Joel kam auf die Straße. Es war schon spät. Keine Menschen, keine Meuterer. Nur leere, öde Straßen. Joel überlegte, wo Samuel sein könnte. So spät am Abend musste er bei irgendjemandem zu Hause sein, um etwas zu trinken. Bei anderen, die auch tranken. Es gab verschiedene Möglichkeiten. Unten an der Eisenbahnbrücke stand eine alte Baracke, wo sich einige Säufer aufhielten. Dort hatte Joel Samuel schon öfter abgeholt. Dann gab es noch ein Haus bei der alten Meierei. Dort konnte er auch hingegangen sein.
    Das Haus an der Eisenbahnbrücke war am nächsten. Joel beschloss, zuerst dort zu suchen. In seinem Bauch saß Samuel und kniff. Es tat weh. Joel hasste nichts mehr als Samuel wegzuholen, wenn er mit anderen dasaß und Schnaps trank. Als er bei dem Haus ankam, stand ein Mann da und pinkelte in den Schnee. Joel kannte ihn. Er hieß Anton Wedberg, arbeitete in der Autowerkstatt und prügelte sich manchmal, wenn er getrunken hatte. Joel wartete, bis er wieder ins Haus gegangen war. Dann schlich er zum Fenster und spähte hinein. Drinnen saßen nur vier Leute um den Tisch mit den Flaschen darauf. Aber Samuel war nicht dabei. Joel ging. Die Stiefel drückten. Natürlich würde Samuel jetzt kein Geld mehr haben um neue zu kaufen. Außerdem würde er bestimmt Blutvergiftung in den Fußknöcheln kriegen, wenn er jede Nacht nach Samuel suchen musste. Er kam zu dem Haus neben der Meierei.
    Dort drinnen lief ein Radio. Oder sang da jemand? Joel ging zum Fenster und guckte hinein. Der Vorhang war zugezogen und er konnte nur durch einen schmalen Spalt ins Zimmer schauen. Aber das war mehr als genug.
    Da drinnen saß Samuel mit einem Glas in der Hand. Sein Körper schwankte, als ob es stürmte.

15
    Das Schwerste war der letzte Schritt.
    Den Türgriff packen, dass die Handknöchel weiß wurden, die Tür öffnen und in den dicken Raucherqualm treten. Joel kannte nichts Schlimmeres. Und jetzt stand er wieder da. Um Samuel nach Hause zu schleppen.
    Er hoffte, dass Samuel noch nicht richtig betrunken war. Sonst konnte er auch noch unangenehm werden. Joel auffordern draußen zu warten, während er noch ein paar Schluck aus der Flasche nahm, und den Aufbruch so lange wie möglich hinauszögern.
    Joel zählte bis drei und öffnete die Tür. Vier blutunterlaufene Augenpaare sahen ihn mit trägem Staunen an. Joel kannte sie. Samuel war schon viele Male bei ihnen zu Hause gewesen. Einer von denen wurde Krähe genannt, weil er eine große spitze Nase hatte. Die anderen beiden Männer im Raum waren Brüder und hießen Tomte. Sie sahen aus wie räudige Hunde. Beide waren früher Waldarbeiter gewesen. Jetzt lebten sie davon, dass sie für ein oder zwei Tage Arbeit annahmen, wenn sie Geld brauchten. »Du?«, fragte Samuel erstaunt.
    Zu seiner Erleichterung stellte Joel fest, dass Samuel noch nicht so betrunken war, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
    »Wir gehen jetzt nach Hause«, sagte Joel. »Es ist spät.« Samuel nickte. Joel hatte oft ein Gefühl, als ob Samuel dankbar wäre, wenn er ihn abholen

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