JörgIsring-UnterMörd
von Weizsäcker ab. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes war
hochgradig erregt.
»Eure Exzellenz, ich muss dringend mit Ihnen reden.«
Göring blieb
stehen. Er schätzte die Intelligenz und Integrität des Diplomaten. Soweit der
Feldmarschall wusste, stand von Weizsäcker einem Krieg ablehnend gegenüber.
Genauso wie seinem Vorgesetzten, Außenminister Joachim von Ribbentrop. Das
machte den Staatssekretär Göring sympathisch.
»Was gibt es?«
»Wir sind gerade dabei, Deutschland in den Untergang zu führen, nur weil ein
Geistesgestörter Hitler seine Wahnvorstellungen ins Ohr flüstert. Das dürfen
wir nicht zulassen, Eure Exzellenz.«
Göring musste leicht grinsen. »Ich nehme wohl an, Sie meinen Ribbentrop?
Ganz schön starkes Stück, so über seinen Chef zu sprechen.«
Von Weizsäcker
blieb unbeeindruckt. »Ich habe ihn mir nicht ausgesucht. Ribbentrop ist der
Erste, der für seine Taten baumeln wird. Doch andere werden folgen.«
Der Feldmarschall setzte wieder ein ernstes Gesicht auf. »Glauben Sie mir,
ich habe alles getan, um diese Entwicklung zu verhindern. Ich habe Hitler
mehrfach beschworen, von seinen Plänen abzulassen. Bisher umsonst. Aber ich
bin hier, um es noch ein letztes Mal zu versuchen.«
Der Staatssekretär nickte. »Geben Sie Ihr Bestes.«
Göring ließ den Diplomaten stehen und marschierte weiter zu Hitlers
Vorzimmer. Er durfte sofort hinein. Hitler saß hinter seinem Schreibtisch und
zeichnete Papiere ab, ohne aufzusehen.
»Nehmen Sie Platz, Göring. Gut, dass Sie da sind. Endlich ist es so weit.
Das Warten hat ein Ende. Deutschland ist auf dem richtigen Weg.«
Der Feldmarschall deutete einen Hitlergruß an und setzte sich in den Stuhl
vor dem Schreibtisch.
»Mein Führer, ich bin gekommen, um Ihnen zu raten, die Dinge noch etwas
aufzuschieben. Die Engländer stehen kurz davor, sich von den Polen loszusagen.
Unsere Strategie war erfolgreich. Wenn wir jetzt losschlagen, machen wir alles
kaputt. Dann haben wir die Briten gegen uns.«
Hitler heftete seine Augen auf Göring und brüllte ihn an. »Papperlapapp!
Wenn ich sage, der Zeitpunkt ist richtig, dann ist er richtig. Die Engländer
sind ein kriecherisches Volk, sie werden sich dem Stärkeren beugen. Und wer
hier der Stärkere ist, das steht wohl außer Frage. Ich erwarte von Ihnen,
Göring, dass Sie die Polen zerquetschen. Die Zeit der diplomatischen Winkelzüge
ist vorbei. Merken Sie sich das! Nun müssen wir Deutschlands Zukunft sichern!«
Göring sah betreten zu Boden.
Hitler sprach ruhiger weiter. »Grämen Sie sich nicht, Göring. Es gibt
Entscheidungen, die müssen getroffen werden. Ich habe meine getroffen.« Der
Führer widmete sich wieder seinen Papieren.
Göring spürte, dass jedes weiteres Insistieren nur
noch schrecklichere Wutausbrüche zur Folge haben würde. Es war sinnlos. Er
stand auf. »Mein Führer.«
Göring verließ Hitlers Arbeitszimmer, ohne sich umzudrehen. Niemand hielt
ihn auf, als er durch die Halle ging. Vor der Reichskanzlei stieg er in seinen
Wagen und fuhr in seine nur fünf Minuten entfernte Berliner Residenz. Als er
die Haustür hinter sich zuschlug, kam ihm Pili Körner entgegen.
Der Feldmarschall sah ihn traurig an. »Es ist hoffnungslos.«
26.
Berlin
31. August Schein-Carinhall, Mittag
Krauss und Oda lagen im tiefen Gras. Von ihrer Position aus hatten sie
freie Sicht auf das etwa dreihundert Meter entfernte Schein-Carinhall. Um ihren
augenblicklichen Fleck zu erreichen, hatten sie einen weiten Fußmarsch auf sich
nehmen müssen. Oda kannte sich jedoch bestens aus. Dank ihrer Ortskenntnis war
es kein Problem, an den Patrouillen vorbeizukommen. Krauss folgte ihr blind.
Ohne sie wäre es schwierig geworden. Wenn er sie gegen sich gehabt hätte, wohl
unmöglich.
Oda sondierte mit dem Fernglas die Lage. Sie waren sich beide in ihrer
Einschätzung einig, dass Bensler und der Junge noch nicht angekommen sein konnten.
Dafür wirkten die Männer zu erwartungsvoll.
Oda flüsterte, ohne das Fernglas abzusetzen. »Ich habe jetzt fünfzehn
Wachen gezählt. Acht auf dem Dach, sieben vor dem Haus. Im Hauptbunker werden
es noch mal mindestens fünf Mann sein. Dazu kommen die Patrouillen. Göring hat
mehr aufgefahren, als wir erwartet haben.«
Krauss flüsterte zurück. »Er hält uns wohl für
gefährlich.«
Oda nahm das Fernglas herunter. »Er kennt mich, sagen wir es mal so.«
Krauss lächelte. Sogar jetzt witzelte Oda noch herum. Sie spielte mit ihrem
Ruf, aber er wusste, dass ihr
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