JörgIsring-UnterMörd
ich
handele nach bestem Wissen und Gewissen. Nie würde ich Partei für die eine
oder andere Seite ergreifen. Ich kann auch Sie, wie ein paar Stunden zuvor
Hermann Göring, nur beschwören, dass Sie mir vertrauen.«
Forbes nickte. »Ich kenne Sie kaum, aber ich vertraue Ihnen. Fahren Sie
fort.«
»Göring war zunächst nicht besonders begeistert von dem, was ich ihm
mitzuteilen hatte. Es kam wieder das übliche Lamento von der englischen
Arroganz, dass sie es nicht nötig hätten, sich helfen zu lassen und immer noch
dächten, sie wären die Herren der Welt und so weiter. Aber wir sind dann die
englische Antwort Punkt für Punkt durchgegangen, und allmählich spürte ich bei
ihm die Bereitschaft, sich auf die britische Position einzulassen. Sie kennen
Göring sicher ebenso gut wie ich, Sir Forbes, und wissen, dass er seine
Meinung blitzschnell ändert. Nun, nach einer halben Stunde hat er seine große
Nase gerieben und mir erklärt, dass er die Engländer verstehe und dies auch
Hitler verständlich machen wolle. So sind wir auseinandergegangen. Zwei Stunden
später hat er mich prächtig gelaunt im Hotel angerufen und gefragt, ob England
lieber einen Vertrag oder ein Bündnis mit Deutschland wünsche. Das müssen Sie
sich mal vorstellen: Gerade noch mäkelt er an den Briten herum, und einen
Moment später klopft er ihnen auf die Schulter.« Dahlerus schüttelte entrüstet
den Kopf. »Am Ende zählt für mich nur das Ergebnis. Und offensichtlich besteht
wieder Grund zur Hoffnung. Hitler hat alle Aspekte der britischen Antwort
akzeptiert, die internationale Garantie für die polnischen Grenzen, die
vertagte Diskussion um die Kolonien, den Wunsch nach einer Einigung nur
zwischen Polen und Deutschland, was Danzig und den Korridor betrifft. Sollte
Hendersons Note morgen dem entsprechen, was ich bereits vorgebracht habe, so
steht einem friedlichen Miteinander von Deutschland und England nichts mehr im
Wege. Das hat mir Göring versichert.«
Die beiden Männer arbeiteten akribisch aus, was Botschafter Henderson
gegenüber Hitler vorbringen sollte und was er besser unerwähnt ließ. Jede
Eventualität wurde berücksichtigt, jede denkbare Entgegnung Hitlers diskutiert.
Dahlerus hatte den Eindruck, dass Forbes besonderen Eifer an den Tag legte, um
seine vorherigen Zweifel an dem Schweden wieder wettzumachen. Trotzdem wirkte
er aufrichtig in seinem Bemühen, den ihm noch vor wenigen Stunden völlig
unbekannten Mann zu unterstützen.
Am frühen Morgen, als es bereits dämmerte, übermittelte Forbes seine
Erkenntnisse nach London. Dahlerus verabschiedete sich und fuhr in sein Hotel.
Es war 5.30 Uhr am Morgen des 28. August. Er hatte dem britischen Botschaftsrat
alles erzählt, was er wusste - alles bis auf eines. Göring hatte ihm vor dem
Abflug aus London telefonisch die genauen Koordinaten für die Flugroute
übermittelt. In diesen Tagen war es gefährlich, durch die Luft zu reisen.
Göring befürchtete, dass Dahlerus abgeschossen werden könnte. Das war es, was
der Schwede Forbes vorenthalten hatte. Nicht nur der Frieden stand auf dem
Spiel, sondern auch das Leben eines unbedeutenden schwedischen Unterhändlers.
13.
Berlin
28. August Hof der Söhne Odins,
früher Morgen
Krauss' Lippe schmerzte, wo Grünberg ihn mit der flachen Hand geschlagen
hatte. Wahrscheinlich war sie geschwollen. Unter seinem rechten Auge brannte
die Wange wie Feuer, auch dort hatte der Nazi ihn mehrfach getroffen, ihm mit
seinem fetten Siegelring die Haut aufgeschlitzt. Sein Körper pochte, als
dränge etwas Lebendiges ungeduldig an die Oberfläche. Grünberg und Müller hatten
ihm bestimmt eine halbe Stunde lang zugesetzt, ihm ihre Fäuste in die Rippen,
die Niere und die Leber gerammt. Irgendwann waren sie gegangen, hatten ihn
alleine zurückgelassen, wohl wissend, dass er sich nicht befreien konnte. Bei
jedem Atemzug spürte Krauss seine geschundenen Organe. Wie gerne hätte er sich
bewegt, um sich durch eine bequemere Position Erleichterung zu verschaffen,
aber sie hatten ihn an einen Stuhl geschnallt. Bei dem Versuch, sich zu
befreien, war er samt dem Stuhl umgestürzt und lag nun auf der Seite, eine
Gesichtshälfte hart auf den kalten Zementboden gequetscht. Er war immer noch
auf dem Hof, zu dem Oda ihn gebracht hatte, in irgendeinem muffigen
Hinterzimmer.
Oda - fast nötigte Krauss diese Frau Respekt ab. Sie hatte ihre Rolle perfekt
gespielt, bis in die kleinste Nuance. Dabei war es ein eigentlich
durchschaubares Manöver gewesen, das
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