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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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aus dem Zimmer, räumte den Tresor leer und fuhr ins Hotel, wo er neben dem stumm sendenden Fernseher am Schreibtisch saß und den Beschluss aufsetzte, der die ihm morgen zuzusprechenden Millionen Posten für Posten aufschlüsselte, und dass es nach dieser Liste etwa zehn Millionen Euro werden würden, die Lanz ihm vor der Pleite noch auszuzahlen haben würde, fand Holtrop nur fair. Unter anderen Bedingungen wären in einem solchen Fall mindestens doppelt so hohe Auszahlungen fällig, hochachtungsvoll, gez. Dr. J. Holtrop, etc pp. Holtrop ging mit dem Beschluss in der Hand ins Bad, putzte sich die Zähne, las das Papier dabei mehrmals durch, war zufrieden und ging nach unten an die Hotelbar, um sich bei ein paar Drinks von den Anstrengungen der vergangenen Tage zu erholen.

XVIII
    2010 . Draußen saßen die Paparazzi im Gebüsch, so nah, dass Holtrop die Kameras rauschen und klicken und feuern hörte, als er die Türe aufmachte, mitten am Vormittag um halb zehn. Es war eine Demonstration der Behörde: öffentliche Hausdurchsuchung. Wenige Minuten zuvor hatte Holtrop von seinem Vater einen Anruf bekommen, mehr als zehn Polizeiwagen seien am Rand des holtropschen Großanwesens, wo die Eltern ihre Villa hatten, vorgefahren, was das zu bedeuten habe. Holtrop beruhigte den Vater, und dann klingelte es auch schon bei ihm an der Haustüre, er ging selbst hin, um sich das anzusehen. Zwei Männer und eine Frau standen da, »bitte kommen Sie doch herein«, sagte Holtrop, »guten Morgen«, trat ins Haus zurück und machte die Türe frei, freundlich nickend kamen die Staatsanwälte herein. »Sie wissen ja, warum wir hier sind«, sagte die den Trupp anführende Frau, nachdem sie sich und ihre Kollegen vorgestellt hatte, und übergab Holtrop den Durchsuchungsbeschluss irgendeines Schönhausener Amtsrichters, drei Seiten eng bedruckt mit Lügen und Gemeinheiten, und während Holtrop auf das Papier schaute, kam ihm das Gesicht von Thewe in den Sinn, das Staunen, Schreck und Renitenz gezeigt hatte, als Holtrop ihm mit einer ähnlichen Formulierung die Entlassung eröffnet hatte, damals, vor etwa genau neun Jahren, als die Zeit bei Assperg ihrem Ende entgegenzugehen anfing, »ja ja«, sagte Holtrop, »natürlich«. Er war auf diesen Besuch der Ermittler vorbereitet. Durch die Anwälte hatte er wiederholt seine Bereitschaft erklärt, alle relevanten Unterlagen zu übergeben, auch darum gebeten, selbst einvernommen zu werden, aber darauf hatte monatelang niemand reagiert. Jetzt standen sie leibhaftig da, in ihren klobig zusammengeklebten Beamtenschuhen, auf seinem Teppich,bei ihm daheim im Wohnzimmer, die Exekutionsorgane einer staatlichen Gewalt, die den Ermittlungskomplex Holtrop einem höheren Behördenplan gemäß heute in den Modus Zugriff auf das Objekt Holtrop überführt hatte, und diesen Täter-Opfer-Unterschied zwischen dem das Handeln bestimmenden Staatssubjekt Behörde, der Staatsanwaltschaft hier von Hinterniedertrachtingen, und dem diesem Zugriff ausgesetzten Objekt Holtrop, der den Zugriff als einen ihn zermalmenden, im Erstmoment zertretenden Vorgang erleben sollte, wollte die Behörde sich nicht nehmen lassen. Holtrop hatte sich nichts vorzuwerfen. Dass die Rechte der Bürger vom Staat derartig mit den Füßen getreten werden durften, war eine deutsche Ungeheuerlichkeit, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte demnächst für unzulässig und unverhältnismäßig erklärt und im Nachhinein verboten werden würde, denn Holtrop war nicht Zumwinkel, er hatte keine Steuern hinterzogen, weil er seit Jahren überhaupt keine Steuern mehr zu zahlen gehabt hatte, durch Spenden, Zinsen, Rücksatzvortrag usw, alles legal, vom Staat selbst genau so gewollt – das war ja immer Bodenhausens Argument gewesen, sich dieser Staatsgängelung durch steuervorteilhafte Ausgabensteuerung zu entziehen, indem man das Geld nicht steuergünstig, sondern einfach so, wie man wollte, anlegte oder ausgab – Holtrop aber hatte trotzdem von Mack dessen gegensätzlichen Optimierungsextremismus, Motto: »Das Geld dem STAAT nicht in den Rachen schmeißen«, übernommen und für sich und sein Vermögen realisieren lassen, allein deshalb traf ihn persönlich keine Schuld, auch deshalb war er ganz ruhig und zuversichtlich, dass auch diese Durchsuchung nur ein weiterer Schritt zur Aufklärung der Haltlosigkeit aller gegen ihn erhobenen Vorwürfe sein könne, und während die Staatsanwälte mit dem höflicherweise eingeholten, gar nicht

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