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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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ein Galaauftritt da, als Preisträger eines Bambi, einer goldenen Feder, Münze oder Mütze, dort ein Vortrag vor hochkarätigen Senioren in Gstaad, den die Redneragentur Publique, die als eine von mehreren Agenturen Holtrop ungebeten, dafür sehr gut bezahlte Termine für Auftritte als Redner beschaffte, via Dirlmeier an Holtrop herangetragen hatte, Interviews, Aktien, Börse privat, und bei alledem war Dirlmeier außerdem auch noch als eine offene, Holtrop bestätigende und überall, in allem und zu allem ermutigende Resonanzinstanz aktiv, der Holtrop in einer typisch chefhaften Borniertheit, als habe er ausgerechnet in dem von ihm abhängigen Dirlmeier einen quasi objektiv neutralen Spiegel vor sich, entnehmen zu können glaubte, wie er in der Firma, beim sogenannten einfachen Arbeiter, den sogenannten Mitarbeitern, gesehen wurde, wie die Stimmung ihm gegenüber im oberen und mittleren Management war und wie er in der Öffentlichkeit generell als Typ ankam, als Mensch, Figur, als Visionärund Denker, als Chef natürlich, als Chef von Chefs, und wie das alles auf die Öffentlichkeit wirkte insgesamt. All das glaubte Holtrop Dirlmeiers leerem Niemandsgesicht ablesen zu können. Und zwar einfach deshalb, weil er so jemanden brauchte, in dem er sein öffentliches Bild erkennen konnte. Dirlmeier seinerseits war natürlich dazu bereit, Holtrop in dieser Illusion zu bestätigen. Und weil Holtrop Positivist in dem Sinn war, alles positiv sehen zu wollen, ein radikaler Fundamentalist der positiven Sicht auf alles, wählte Dirlmeier danach aus, welche Informationen, Nachrichten und Ansichten er an Holtrop weitergab, vorallem das Positive, Negatives so selten wie möglich. Die Auswahl war so simpel, dass andere Mitarbeiter Holtrops, vorallem der direkt neben Dirlmeier arbeitende, Dirlmeier im Rang gleichgestellte, funktional aber übergeordnete Bürochef Riethuys, gar nicht glauben konnten, dass Holtrop diese programmatische Unterdrückung von allem Negativen nicht selbst bemerkte, es war aber so. Dass Negatives fehlte, fand Holtrop selbstverständlich, gewundert hätte er sich, wenn es schlechte Nachrichten gegeben hätte, Negativität weckte in ihm den Verdacht, dass der ihn damit Konfrontierende aus irgendeinem scheußlichen Grund gegen ihn eingestellt sei und ihm das Negative, von dem er ihm berichtete, in Wahrheit wünschte.
    Für Riethuys, der als Holtrops Hirn und Rechenzentrum das gesamte Büro Holtrop koordinierte, war Dirlmeier nicht mehr als ein besserer Butler, mit dem Irrsinn, dass dieser Butler für Holtrop die Generalinstanz war, an der er jahrelang seine Außenwirkung abgemessen, orientiert und kontrolliert hatte. Im Stil gab Dirlmeier sich umso unabhängiger von Holtrop. Langsam, ruhig, langsamer als Scharping zu seinen besten Funktionärsbartzeiten, erklärte Dirlmeier die Schönhausenoffensive Holtrops zum Blitzerfolg der vergangenen Woche, weil er dachte, dassdas Büro insgesamt, vorallem Holtrop selbst dies hier so hören wollte. Es gab zwar keine Belege dafür, aber Stimmungen, Eindrücke, Stimmen, Geschwafel, und Holtrop war während dieser Reden mit der Abwehr der Wahrnehmung beschäftigt, wie sehr Dirlmeier ihm heute auf die Nerven ging. Holtrop konnte damit nichts anfangen, konnte nicht darüber nachdenken, spürte nur, dass von Dirlmeier her die ganze Zeit starke Störempfindungen kamen, Abzuwehrendes, Negativität, Hindernis, Nichtpositivität, dass das anhaltend war und sehr unangenehm, und plötzlich hatte er in völliger Klarheit die Konsequenz erkannt: »Dieser Mensch muss weg.« Wahrscheinlich muss Dirlmeier entfernt werden. Aber auch durch diesen Gedanken entstand kein Aufschwung in Holtrops Geist. Im Stern, dem Hitlerperiodikum von Gruber und Lang, hatte es doch seinerzeit diesen legendären Hitlerchefredakteur gegeben, Gruber oder Kuhn, wie hieß der noch, Funzel oder Brand, der als besonders aggressiver Chefcholeriker die Untergebenen mit besonders bösartiger Freude und Gemeinheit entlassen, zu sich zitiert und ohne Warnung von jetzt auf gleich entlassen, fristlos rausgeschmissen und sich einen zusätzlichen Sonderspaß dabei gemacht hatte, die Rausgeschmissenen durch die verbale Bekundung seiner Freude beim Rausschmeißen auch noch zusätzlich zu demütigen. Später wurde er selber rausgeschmissen, so geht es den meisten dieser angestellten Chefs, irgendwann werden sie selber in Unwürden entlassen, so auch Funzel, seither Buchautor, Berater, Null. An diesen fürchterlichen Funzel

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