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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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die geplante Entlassung Dirlmeiers aus. Er wusste nicht, dass Holtrop selbst den Plan von sich aus schon aufgegeben hatte, reagierte aber sofort auf den heftig nickenden Kopf Holtrops, der mit Ungeduld zum nächsten Thema weiterdrängte. »Die Telefonkonferenz mit Branzger habe ich hier vorbereitet«, sagte Riethuys. Branzger war in der Münchner Privatbank C. H. Donner der Ansprechpartner, der das ursprünglich von Herstatt initiierte Geschäft mit dem Binzkredit heute für Assperg koordinierte. Holtrop ging um den Schreibtisch herum und setzte sich wieder. Riethuys legte das einseitige Memorandum zur Branzgertelko vor Holtrop auf den Tisch. Holtrop nahm es hoch und legte es rechts neben sich auf den Stapel der abzuarbeitenden Papiere, während Riethuys das in dem Memo Festgehaltene referierte. Assperg werde den an Binz weitergereichten Kredit durch die Binzpleite, die in wenigen Tagen oder spätestens Wochen zu erwarten sei, ersatzlos verlieren. Über das Ausmaß der Katastrophe für den Fall, dass dieses Szenario tatsächlich wirklich werden würde, sagte Riethuys nichts. Er enthielt sich bei seinem Vortrag prinzipiell eigener Ansichten, referierte immer nur ganz streng den Stand der Sache. Das wirkte kühl und vernünftig, aber in der Kombination ausMilde und Eisigkeit, die Riethuys dabei kultivierte, auch irgendwie gestört maschinenhaft. Das Gespräch war beendet. Holtrop fragte: »Sind Sie am Abend bei dem Essen auch dabei?« In Karlsruhe gab der Präsident des Bundessportehrengerichts, Prof. Dr. K. G. Ghirri, ein Essen zu Ehren von Lord Weyenfeldt, der neunzig Jahre alt wurde. »Nein«, sagte Riethuys, »aber Dirlmeier wird Sie begleiten.« »Sehr gut«, antwortete Holtrop und nickte abschließend, Riethuys war damit verabschiedet. Er lächelte sein Giftlächeln, drehte sich um und ging hinaus.
    »Jetzt Ahlers bitte!« schrie Holtrop durch die sich schließende Türe in richtung Frau Rösler. Ahlers präsentierte seinen Plan, wie der Binzkredit auch für den Fall einer Pleite von Binz doch noch zu retten sein könnte, Gerling, Mack und Hörre, die über Veerendonck in Hannover Verbindungen zu Siemers & Sethe hätten, könnten die notwendigen Schnellumschuldungszertifikate rechtzeitig bereitstellen, durch die Assperg Schuldnertransfer zugesichert bekäme, was alles in allem im übrigen auch ganz legal wäre. Die Kreativität von Ahlers, der bei Abschluss des Kredits noch der größte Gegner dieses Geschäfts gewesen war und in dessen Interesse es durchaus sein könnte, dass Holtrop über diesen Gierkredit, wie Ahlers das Geschäft damals genannt hatte, aus dem Vorstandsvorsitz hinauskatapultiert würde, faszinierte Holtrop. Riethuys war der perfekte Angestellte, aber nutzlos. Ahlers hingegen war der klassische Finanzpedant, scheußlich anzuschauen in der unfassbaren Nichtigkeit seiner Klamotte, aber möglicherweise ja genau deshalb, weil ihm alles Nichtfachliche derartig komplett egal war, der genau richtige Vorstand für Finanzen. Staunend schaute Holtrop auf Ahlers’ Schuhe, während Ahlers seinen Rettungsplan darlegte, weich gerundete Gesundheitsschuhe, die als Beleidigung von Holtrops Teppich am unteren Ende von Ahlers vor Holtropauf dem Boden standen, ein Laschheitsexzess von abstoßender Scheußlichkeit. Zuletzt war Ahlers aber der vielleicht letzte und einzige Mitarbeiter, der Holtrop überhaupt noch unterstützend zuarbeitete. Nachdem Ahlers gegangen war, war es Zeit für einen Obstimbiss. Holtrop stand am Fenster und aß einen Apfel und schaute nach draußen auf den Tümpel in der Senke. Plötzlich sah er dort Riethuys gehen. Holtrop schaute auf die Uhr. Riethuys ging eiligen Schritts auf die der Hauptverwaltung gegenüberliegende Stiftungszentrale zu. Holtrop wartete, bis Riethuys im Eingang verschwunden war, drehte sich vom Fenster ab und sagte leise das kleine Wort: »Ratte«.

XVII
    Das private Abendessen in Karlsruhe war hochkarätig besetzt. Noch aus alten Bonner Zeiten gab es zwischen Ghirri und Goschurgestein Lord Weyenfeldt Verbindungen, die aus einem parteiübergreifenden Bossekonkubinat zwischen Hamburg und Hannover hervorgegangen waren, zu dem auch der jetzige Bundeskanzler Schröder, damals noch als Junganwalt, gehörte, Geschichte der mittleren Bundesrepublik, Modul frühe 70 er Jahre, und weil der alte Assperg natürlich Teil dieser Gesellschaft gewesen war, war es der junge Holtrop als Vorstandsvorsitzender der Assperg AG heute im Fall dieses Abendessens auch.
    Im Schlosshotel brannte

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