John Corey 01 - Goldkueste
langweilte ich mich... Nein, das war's nicht. Ich wollte nur beweisen, dass ich nichts verlernt hatte. Und sechstens gab es dieses kleine Problem mit einer todbringenden Seuche, die bewirken konnte, dass dies der letzte Herbst war, den die Menschheit erleben würde.
Ich wusste, dass ich aus all diesen Gründen auf der Achtuhrfähre nach Plum Island sein sollte, statt im Bett liegenzubleiben und mir die Decke über den Kopf zu ziehen, wie ich's als kleiner Junge getan hatte, um mich vor unangenehmen Dingen zu verkriechen... Ich stand nackt an dem großen Fenster und sah zu, wie der im Mondschein gespenstisch weiße Nebel von der Bay heraufzog und über den dunklen Rasen aufs Haus zukroch. Früher hatte mich das geängstigt. Unheimlich war es noch immer. Ich fühlte, dass ich eine Gänsehaut bekam.
Meine rechte Hand ber ührte unwillkürlich meine Brust und ertastete die Einschusswunde der ersten Kugel; danach glitt sie zu meinem Unterleib hinunter, den die zweite oder dritte Kugel durchschossen hatte. Die andere Kugel war durch meine linke Wade gegangen, ohne viel Schaden anzurichten. Der Chirurg hatte gemeint, ich h ätte Glück gehabt. Das stimmte auch. Mein Partner Dom Fanelli und ich hatten ein Geldstück hochgeworfen, um zu sehen, wer von uns beiden Kaffee und Donuts holen musste, und er hatte verloren. Das hatte ihn vier Dollar gekostet. Mein Glückstag.
Irgendwo drau ßen in der Bay ertönte ein Nebelhorn, und ich fragte mich, wer um diese Zeit bei solchem Wetter unterwegs sein mochte.
Ich wandte mich vom Fenster ab, überzeugte mich davon, dass mein Wecker gestellt und die Pistole Kaliber 45 auf meinem Nachttisch durchgeladen war.
Ich fiel ins Bett und starrte wie Beth Penrose, Sylvester Maxwell, Ted Nash, George Foster und viele andere in dieser Nacht zur Zimmerdecke hinauf und dachte an Mord, Tod, Plum Island und tödliche Viren. Vor meinem inneren Auge stand die im Nachtwind wehende Piratenflagge, auf der ein weißer Totenkopf grinste.
Mir fiel ein, dass die einzigen Leute, die heute Nacht in Frieden ruhten, Tom und Judy Gordon waren.
7. Kapitel
Ich stand um sechs Uhr auf, duschte und zog Shorts, T-Shirt und Seglerschuhe an: genau die richtigen Klamotten für den raschen Wechsel in einen Bio-Schutzanzug oder wie immer diese Dinger hießen.
Was meinen Revolver anging, imitierte ich Hamlet - tragen oder nicht tragen, das war hier die Frage. Schlie ßlich nahm ich ihn doch mit. Man wusste schließlich nie, wie der Tag sich entwickeln würde. Vielleicht bot sich eine Chance, Ted Nash eine Abreibung zu verpassen.
Um Viertel vor sieben fuhr ich auf der Main Road Richtung Osten - mitten durchs Weinland.
Unterwegs überlegte ich mir, dass es nicht leicht war, seinen Lebensunterhalt dem Meer oder dem Land abzuringen, wie es viele der Einheimischen taten. Trotz allem waren die Weingüter überraschend erfolgreich. Als ich durch die Ortschaft Peconic fuhr, lag links von mir das erfolgreichste hiesige Weingut: Tobin Vineyards. Sein Besitzer war Fredric Tobin, ein Freund der Gordons, den ich einmal kurz kennengelernt hatte. Ich nahm mir vor, den Gentleman aufzusuchen, um zu sehen, ob er irgendetwas zur Aufklärung dieses Falls beitragen konnte.
Die Sonne stand rechts vor mir über den Bäumen, und mein Außenthermometer zeigte sechzehn Grad Celsius an, was mir nichts sagte. Irgendwie hatte ich den Computer vermurkst und war ins metrische System geraten. Sechzehn Grad klang kalt, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Jedenfalls löste die Sonne den Nebel auf, und heller Sonnenschein fiel in meinen überteuerten Geländewagen.
Ich stellte mein Radio auf einen New Yorker Nachrichten sender ein, h örte mir eine Zeitlang den Routinescheiß an und wartete auf eine Meldung über den Ausbruch einer rätselhaften Seuche. Aber dafür war es wohl noch zu früh. Ich stellte auf den einzigen hiesigen Sender um und erwischte die Siebenuhr nachrichten. Der Moderator sagte gerade: »... und wir haben heute Morgen mit Chief Maxwell telefoniert und folgendes von ihm erfahren.«
»Was den Tod des Ehepaars Tom und Judy Gordon aus Nassau Point betrifft«, sagte Max mit brummiger Stimme, »ermitteln wir wegen Einbruch, Raub und Doppelmord. Der Fall hat nichts damit zu tun, dass die Opfer auf Plum Island gearbeitet haben. Wir bitten alle Mitbürger, wachsam zu sein, auf Fremde zu achten und verdächtige Personen der Polizei zu melden. Es besteht zwar kein Grund zur Panik, aber wir müssen uns vor Augen halten, dass ein
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