John Corey 03 - Nachtflug
ausfindig gemacht worden wären - zum Beispiel von mir.
Im Endeffekt wollten Nash, Griffith und wer sonst noch beteiligt war gar keine hieb- und stichfesten Beweise für einen Raketenanschlag auf TWA 800 finden; sie wollten die Beweise unterschlagen und vernichten - genau das, was sie Jill Winslow vorgeworfen hatten.
»Haben diese Gentlemen vom FBI Sie zum Stillschweigen verpflichtet?« fragte ich Mrs. Winslow.
Sie nickte.
»Aber nachdem die offizielle Erklärung über die Absturzursache bekanntgegeben wurde - dass es ein Unglück war -, haben Sie sich da nicht gefragt, warum Ihre und Buds Aussage nicht berücksichtigt wurde?“
»Doch ... aber dann rief dieser Mann, dieser Nash an, und wir trafen uns hier noch einmal, und er erklärte mir, dass meine und Buds Aussage ohne das Video nicht mehr Gewicht hätten als die Aussagen Hunderter anderer Augenzeugen.« Sie holte tief Luft und sagte: »Nash erklärte mir, dass ich mich glücklich schätzen sollte, weiterleben wie bisher und nie wieder darüber nachdenken sollte.«
»Aber das war nicht der Fall.«
»Nein, ich konnte nicht ... Ich sehe immer noch die Rakete
... «
»Haben Sie auch die CIA-Animation von dem Unglück gesehen?«
»Ja. Sie war völlig falsch.«
»Es wäre schön, wenn man Ihr Video gehabt hätte.«
Sie ging nicht darauf ein.
Wir saßen eine Zeitlang schweigend da. Dann stand sie auf, holte sich ein Taschentuch von der Ablage und schneuzte sich. Sie öffnete den Kühlschrank und fragte mich: »Möchten Sie einen Schluck Mineralwasser?«
»Nein danke, ich trinke kein reines Wasser.«
Sie holte eine Wasserflasche heraus und goss sich ein Glas voll. Eine echte Dame.
Ich verarbeitete alles, was sie bislang gesagt hatte, und destillierte es auf ein paar wenige Fakten: Bud hatte das Video nicht vernichtet; das FBI und die CIA hatten die gelöschte Aufnahme zweifellos wiederhergestellt und genau das gesehen, was auch zweihundert Augenzeugen ihren Aussagen zufolge gesehen hatten - einen aufsteigenden Lichtschweif.
Daher, was? Mir fielen dazu nur zwei Worte ein: Verschwörung und Vertuschung.
Aber warum? Dafür gab es allerhand Gründe. Aber ich versuchte gar nicht zu ergründen, wie die Leute in Washington dachten, was ihre geheimen Absichten und Motive waren und was sie mit einer Vertuschung erreichen wollten. Ich war davon überzeugt, dass es aus der Sicht der Sicherheitsorgane gute Gründe dafür gab, etwas zu vertuschen, bei dem es sich um einen sogenannten Kollateralschaden durch freundliches Feuer, eine experimentelle Waffe oder einen Terroranschlag handeln könnte - aber ich war auch davon überzeugt, dass diese Gründe schlecht waren.
Jill Winslow wirkte erschöpft, bedrückt und beunruhigt, so als ginge ihr etwas durch den Kopf. Ich meinte zu wissen, was ihr durch den Kopf ging, und wollte ihr dabei helfen, es loszuwerden.
Sie stand immer noch da, als sie mich fragte: »Wollen Sie Bud heute noch aufsuchen?«
»Heute oder morgen.«
Sie lächelte und sagte: »Er ist einer der vier, mit denen mein Mann heute unterwegs ist.«
»Sind sie Freunde?«
»Bekannte.« Sie setzte sich mit ihrem Wasserglas hin, schlug die Beine übereinander und sagte: »Seinen Mann zu betrügen ist schon schlimm genug, aber wenn Mark jemals herausfände, dass es mit Bud geschah, würde er sich vorkommen wie der letzte Dummkopf.«
»Warum?«
»Mark hält Bud für einen Dummkopf. Und ausnahmsweise hat Mark recht. Mark sagte mal zu mir: Jill, wenn du mich jemals betrügst, dann such dir jemanden aus, bei dem es dir nicht peinlich sein muss, wenn es herauskommt. Ich hätte auf ihn hören sollen.«
Ich dachte über diesen Rat nach und pflichtete ihm bei. Ich meine, ich möchte auch nicht erwischt werden, wenn ich eine Affäre mit jemandem hätte, den jeder für einen Versager oder Sonderling hält, oder der hässlich ist und ein paar Pfund zu viel auf die Waage bringt. »Sieht er gut aus?« fragte ich Jill Winslow.
»Ja. Aber das ist auch alles. Es war rein körperlich.« Sie lächelte. »Ich bin so oberflächlich.«
Genaugenommen war es nicht rein körperlich gewesen - es hatte viel mit Mark Winslow zu tun und mit Jill Winslows Bedürfnis, nicht immer die perfekte Ehefrau sein zu wollen, auch wenn Mark das nicht wusste. Aber ich ging nicht darauf ein. Wie lautet doch der Spruch?
»Ein reiches Mädchen, das auf einer Yacht Champagner trinkt, kann man nicht bedauern.« Aber in gewisser Weise tat mir Jill Winslow leid.
Was Bud betraf, so ging ich davon
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