John Grisham
»Finger weg von den Mädchen!« Die Anzugtypen brüllten vor Lachen. Es war alles ein großer Spaß.
Als Amber die sechs Bier vor sie stellte, platzte Calvin heraus: »Wie wär's mit einem Lapdance?«
Sie runzelte die Stirn. »Später vielleicht. Ich bin ziemlich müde.« Damit verschwand sie wieder.
»Sie versucht, dein Geld für dich zu sparen«, sagte Aggie. Calvin war am Boden zerstört. Stundenlang hatte er immer wieder den kurzen Augenblick durchlebt, als Amber sich auf seinen ausladenden Schoß geschwungen und munter zur Musik gezuckt hatte. Er konnte sie förmlich spüren, ihr billiges Parfüm riechen.
Eine ziemlich dicke und wabbelige junge Frau erschien auf der Bühne und begann mit einer erbärmlichen Darbietung. Sie stand recht schnell unbekleidet da, fand aber trotzdem kaum Beachtung. »Das muss die Friedhofsschicht sein«, sagte Aggie. Calvin war mit den Gedanken woanders. Seine Augen folgten Amber, die sich durch den Club schlängelte. Sie bewegte sich eindeutig langsamer. Der Feierabend war nicht mehr weit.
Sehr zu Calvins Missfallen konnte einer der Anzugtypen Amber zu einem Lapdance bewegen. Sie fand zu ihrem alten Enthusiasmus zurück und war alsbald konzentriert bei der Arbeit, während die Männer allerlei Kommentare abgaben. Sie war von volltrunkenen Gaffern umrundet. Der, auf dem sie saß, verlor schließlich die Beherrschung. Gegen die Hausordnung und eine Verordnung der Stadt Memphis streckte er beide Hände vor und packte ihre Brüste. Ein großer Fehler.
Kaum eine Sekunde später passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Ein Kamerablitz flammte auf, und jemand schrie: »Sittenpolizei, Sie stehen unter Arrest!« Unterdessen sprang Amber vom Schoß des Mannes und kreischte etwas über widerliche Griffel. Da die Rausschmeißer den Vorfall aus nächster Nähe beobachtet hatten, waren sie sofort zur Stelle. Zwei Polizisten in Zivil eilten hinzu. Der eine hielt eine Kamera, und der andere sagte immer wieder: »Sittenpolizei Memphis, Sittenpolizei Memphis.«
Jemand schrie: »Polizei!« Dann gab es Geschiebe und Gedränge und jede Menge wilde Flüche. Die Musik hörte abrupt auf. Die Gäste zogen sich zurück. Amber geriet ins Stolpern und stürzte über einen Stuhl. Sie ließ ein affektiertes, theatralisches Geheul hören, was Calvin veranlasste, sich in das Getümmel zu stürzen und zum ersten Fausthieb auszuholen. Er traf den Anzugträger, der sein Mädchen begrapscht hatte, und zwar ziemlich hart auf den Mund. Im selben Moment begannen mindestens elf erwachsene Männer, die Hälfte davon schwer alkoholisiert, wahllos in alle Richtungen loszuboxen. Calvin wurde von einem Rausschmeißer hart getroffen, woraufhin sich auch Aggie einmischte. Die Anzugtypen prügelten wild auf Rausschmeißer, Polizisten und die Jungs vom Land ein. Jemand warf ein Glas Bier, das auf der anderen Seite des Raumes neben dem Tisch einer Gruppe Motorradfahrer mittleren Alters einschlug. Die Biker hatten bis dahin nichts weiter getan, als jeden anzufeuern, der zu einem Hieb ausholte. Das berstende Glas allerdings gefiel ihnen gar nicht, und sie gingen zum Angriff über. Draußen vor dem Club hielten sich unterdessen geduldig zwei uniformierte Polizisten bereit, um die Opfer der Razzia abzuführen. Als sie den Tumult im Inneren hörten, gingen sie hinein, und nachdem sie begriffen hatten, dass eine regelrechte Massenschlägerei ausgebrochen war, zogen sie reflexartig ihre Schlagstöcke und hielten Ausschau nach dem nächsten geeigneten Schädel. Aggie war der Erste, der ihnen in die Quere kam, und während er schon auf dem Boden lag, prügelten die Polizisten sinnlos auf ihn ein. Die billigen Tische und Stühle zerbarsten. Zwei der Biker schnappten sich Holzbeine und gingen auf die Rausschmeißer los. Die Keilerei tobte immer weiter, neue Koalitionen bildeten sich, Körper prallten zu Boden. Die Verluste nahmen zu, bis Rausschmeißer und Polizei die Oberhand gewannen und schließlich die Gegner überwältigten - Anzugträger, Biker, die Jungs aus Ford County und noch ein paar andere, die sich den Spaß nicht entgehen lassen wollten. Blut war überall - auf dem Boden, auf Hemden und Jacken, vor allem aber auf Gesichtern und Armen.
Weitere Polizisten trafen ein, dann kamen die Krankenwagen. Aggie war bewusstlos und verlor viel Blut aus seinem ohnehin reduzierten Vorrat. Die Sanitäter fanden seinen Zustand besorgniserregend und verfrachteten ihn in den ersten Krankenwagen. Er wurde zum Mercy-Krankenhaus abtransportiert.
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