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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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nichts mitgenommen außer seiner Flinte, ein paar Klamotten und sämtlichen Schnaps aus seinem persönlichen Vorrat. Er war gewalttätig gewesen, wenn er betrunken war. Seine Söhne hatten schwere Narben davongetragen, körperlich und seelisch. Leon, der Älteste, hatte die Brutalität stärker mitbekommen als seine jüngeren Brüder, und als kleiner Junge hatte er Alkohol mit den Schrecken eines hemmungslosen Vaters gleichgesetzt. Er hatte sein Leben lang keinen Tropfen angerührt, später allerdings andere Laster für sich entdeckt. Butch dagegen trank schon seit seiner frühen Teenagerzeit, wobei er sich nie hatte hinreißen lassen, Alkohol ins Haus seiner Mutter zu schleusen. Raymond, der Jüngste, hatte sich eher an Butch orientiert als an Leon.
    Um von diesem unerfreulichen Thema abzulenken, fragte Leon seine Mutter nach einer Freundin aus der Nachbarschaft, eine alte Jungfer, die seit Jahren an Krebs litt. Wie gewöhnlich wurde Inez munter, wenn es um die Zipperlein und Behandlungen ihrer Nachbarn oder um ihre eigenen ging. Die Klimaanlage setzte sich schließlich durch, und die drückende Feuchtigkeit im Inneren begann nachzulassen. Als Butch zu schwitzen aufgehört hatte, angelte er sich eine Zigarette aus der Tasche, zündete sie an und öffnete das Fenster einen Spaltbreit. Sofort stieg die Temperatur. Bald rauchten alle drei wieder, und die Fenster wurden immer weiter gesenkt, bis die Luft von Hitze und Rauch erfüllt war.
    Als sie zu Ende geraucht hatten, sagte Inez zu Leon: »Raymond hat vor zwei Stunden angerufen.«
    Das war keine Überraschung. Seit Tagen rief Raymond ständig an, immer per R-Gespräch, und nicht nur seine Mutter. Leons Telefon klingelte so oft, dass seine (dritte) Frau sich inzwischen weigerte abzunehmen. Auch andere in der Stadt lehnten es ab, die Gebühren zu übernehmen.
    »Was hat er gesagt?«, fragte Leon, aber nur weil er irgendetwas erwidern musste. Er wusste, was Raymond gesagt hatte, vielleicht nicht wörtlich, aber sinngemäß.
    »Es sieht echt gut aus, hat er gesagt, und dass er wahrscheinlich das ganze Anwaltsteam, das er gerade hat, rausschmeißen und ein neues beauftragen muss. Du kennst ihn ja. Er erzählt den Anwälten, was sie tun sollen, und die überschlagen sich dann für ihn.«
    Ohne den Kopf zu wenden, warf Butch Leon einen finsteren Blick zu, den dieser erwiderte. Beide schwiegen, denn es gab dazu nichts zu sagen.
    »Er meinte, sein neues Team kommt von einer Kanzlei aus Chicago, die tausend Anwälte hat. Könnt ihr euch das vorstellen? Tausend Anwälte, die alle für Raymond arbeiten. Und er allein sagt ihnen, was sie machen sollen.«
    Wieder ein Blickwechsel zwischen Fahrer und Beifahrer, der Inez wegen ihres fortgeschrittenen grauen Stars entging. Wenn sie mitbekommen hätte, wie sich ihre beiden Ältesten ansahen, wäre sie alles andere als erfreut gewesen.
    »Er meinte, sie hätten gerade irgendeinen neuen Beweis entdeckt, der in der Verhandlung hätte vorgelegt werden sollen, aber Polizei und Staatsanwaltschaft hätten ihn unterschlagen, und mit diesem neuen Beweis, meint er, könnte es gut sein, dass der Prozess neu aufgerollt wird, und zwar wieder hier in Clanton, wobei er nicht sicher ist, ob er das hier haben will oder ob man vielleicht lieber woanders hingehen soll. Vielleicht am besten irgendwo ins Delta, meinte er, weil im Delta mehr Schwarze in der Jury sitzen, und er sagt, Schwarze sind in solchen Fällen nicht so streng. Was sagst du dazu, Leon?«
    »Im Delta gibt es auf jeden Fall mehr Schwarze«, erwiderte Leon. Butch grummelte etwas Unverständliches.
    »Er meinte, er traut in Ford County niemand mehr, schon gar nicht dem Gesetz und den Richtern. Mein Gott, die haben uns ja auch nie in Ruhe gelassen.«
    Leon und Butch nickten in stummem Einverständnis. Beide waren oft genug in die Mühlen der Justiz geraten, Butch wesentlich häufiger noch als Leon. Und obwohl sie sich ihrer Verbrechen jedes Mal für schuldig bekannt hatten, um mit ausgehandelten Deals davonzukommen, waren sie stets der festen Überzeugung geblieben, dass sie nur deshalb verfolgt wurden, weil sie Graneys waren.
    »Dabei weiß ich gar nicht, ob ich noch einen Prozess durchhalten würde«, sagte Inez, und ihre Stimme wurde immer schwächer.
    Leon drängte es, zu sagen, dass Raymonds Chancen auf ein neues Verfahren praktisch gleich null seien und dass er schon seit zehn Jahren immer wieder Wirbel darum mache. Butch wollte in etwa das Gleiche sagen, allerdings hätte er

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