John Grisham
Sein Körper antwortete mit Zuckungen und Krämpfen. Seine Schultern schnellten zurück. Sein Kinn und seine Stirn pressten sich mit aller Kraft gegen die Kopfriemen. Seine Hände, Arme und Beine zuckten wild in dem immer dichter aufsteigenden Gas.
Rund eine Minute lang wehrte sich sein Körper heftig, dann entfaltete das Zyanid seine Wirkung. Die Krämpfe ließen nach. Sein Kopf wurde reglos. Seine Finger lösten ihren Todesgriff von den Armlehnen. Die Luft wurde immer undurchdringlicher, während Raymonds Atmung sich verlangsamte und schließlich stoppte. Ein letztes Zucken in seinen Brustmuskeln, eine leichte Vibration seiner Hände, dann war es endlich vorbei.
Um 0.31 Uhr wurde er für tot erklärt. Die schwarzen Vorhänge wurden zugezogen und die Zeugen aus dem Raum gescheucht. Draußen lehnten sich Butch und Leon an eine Ecke des Backsteingebäudes und rauchten eine Zigarette.
Im Hinrichtungsraum wurde ein Abzug an der Gaskammer geöffnet, so dass das Gas in die stickige Luft über Parchman entweichen konnte. Fünfzehn Minuten später kamen Aufseher mit Handschuhen, die Raymond losschnallten und seinen Leichnam aus dem Raum zogen. Seine Kleidung wurde ihm vom Leib geschnitten, um später verbrannt zu werden. Die Leiche wurde mit kaltem Wasser abgebraust, mit Küchentüchern getrocknet und dann wieder in Gefängniskleidung gesteckt und in einen billigen Kiefernsarg gelegt.
Leon und Butch setzten sich zu ihrer Mutter und warteten auf den Gefängnisleiter. Inez stand immer noch unter der Wirkung des Beruhigungsmittels, aber sie begriffklar und deu tlich , was vor wenigen Minuten geschehen war. Sie hatte ihren Kopf in die Hände gelegt, weinte leise und murmelte nur hin und wieder vor sich hin. Ein Aufseher kam herein und fragte nach den Schlüsseln für Mr. McBrides Transporter. Eine Stunde verstrich.
Schließlich betrat der Gefängnisleiter den Raum, er kam direkt von der Pressekonferenz. Er äußerte ein paar sentimental klingende Beileidsbekundungen und bemühte sich sogar erfolgreich, eine mitfühlende Trauermiene aufzusetzen, ehe er Leon bat, einige Formulare zu unterschreiben. Er erklärte, dass Raymond fast eintausend Dollar auf seinem Gefängniskonto hinterlassen habe, die würden binnen einer Woche per Scheck zugestellt. Er sagte, der Transporter sei beladen mit dem Sarg und vier Kisten, die Raymonds Habseligkeiten beinhalteten - seine Gitarre, Kleidung, Bücher, Korrespondenz, juristische Unterlagen und Manuskripte. Sie dürften jetzt gehen.
Der Sarg wurde zur Seite geschoben, damit Inez daran vorbeigerollt werden konnte, und als sie ihn berührte, erlitt sie einen erneuten Zusammenbruch. Leon und Butch rückten die Kisten zurecht, befestigten den Rollstuhl und schoben den Sarg wieder zurück. Als alles an seinem Platz war, folgten sie einem Wagen voller Aufseher zurück zum vorderen Teil der Gefängnisanlage, passierten den Ausgang, und während sie auf den Highway 3 einbogen, kamen sie an den letzten Protestierern vorbei. Die Fernsehteams waren fort. Leon und Butch zündeten sich Zigaretten an, aber Inez war zu aufgewühlt, um zu rauchen. Kilometerweit sprach niemand ein Wort, während sie durch Baumwoll- und Sojabohnenfelder rauschten. In der Nähe von Marks entdeckte Leon einen Lebensmittelladen, der noch geöffnet war. Er kaufte ein Mineralwasser für Butch und große Becher Kaffee für sich und seine Mutter.
Als das Delta von Hügelland abgelöst wurde, ging es ihnen besser.
»Was hat er als Letztes gesagt?«, fragte Inez mit pelziger Zunge.
»Er hat sich entschuldigt«, sagte Butch. »Hat Charlene um Verzeihung gebeten. «
» Also hat sie es gesehen?«
»Und ob. Das hätte sie sich doch nie entgehen lassen. «
» Ich hätte es sehen sollen.«
»Nein, Mama«, widersprach Leon. »Du darfst für den Rest deines Lebens dankbar sein, dass du nicht dabei warst. Deine letzte Erinnerung an Raymond war eine lange Umarmung und ein herzliches Lebewohl. Glaub nicht, dass du was verpasst hast.«
»Es war grauenvoll«, sagte Butch.
»Ich hätte es sehen sollen.«
In Batesville fuhren sie an einem Imbisslokal vorbei, das für Chicken Burger und Rund-um-die-Uhr-Service warb. Leon wendete. »Ich müsste mal«, sagte Inez. Um 3.15 Uhr in der Nacht waren sie die einzigen Gäste. Butch schob seine Mutter zu einem der vorderen Tische, und sie aßen schweigend.
Inez schaffte ein paar Bissen, verlor dann aber den Appetit. Butch und Leon sc hlangen wie ausgehungerte Flüchtl inge.
Um kurz nach fünf
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