Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
Vom Netzwerk:
literarischen Rechte auf euch drei. Na, wie findet ihr das?«
    »Schön«, sagte Leon.
    »Toll«, sagte Butch.
    Raymond hatte eine zweihundert Seiten lange Autobiografie geschrieben, die von jedem Verleger der Vereinigten Staaten abgelehnt worden war. Das letzte Kapitel seines Lebens stand nun kurz vor dem Abschluss.
    Er kaute schmatzend, während er ohne Sinn und Verstand über Fisch, Burger und Pizza herfiel und dabei auf dem Tisch schwere Verwüstungen anrichtete. Gabel und Finger wanderten über den Tisch, häufig gleichzeitig in verschiedene Richtungen, stießen, stocherten, schnappten und beförderten neue Bissen in seinen Mund, kaum dass er geschluckt hatte. Ein dem Hunger tod nahes Schwein an einem Fresstrog hätte weniger Lärm gemacht. Inez hatte sich nie lange mit Tischmanieren aufgehalten, und ihre Söhne besaßen alle keine. Aber nach elf Jahren im Todestrakt hatten Raymonds ohnehin miserable Angewohnheiten neue Dimensionen erreicht.
    Leon allerdings war inzwischen mit einer Frau verheiratet, die eine gute Erziehung genossen hatte. Nach zehn Minuten platzte er in das letzte Mahl hinein. »Musst du so schmatzen?«, fauchte er.
    »Verdammt, Mann, du machst mehr Lärm als ein Pferd beim Maisfressen«, fiel Butch sofort mit ein.
    Raymond erstarrte und funkelte seine Brüder an. Ein paar spannungsgeladene Sekunden lang stand die Situation auf der Kippe, und es war durchaus möglich, dass es zu einer klassischen Graney-Prügelei mit Flüchen und persönlichen Beleidigungen kommen würde. Über die Jahre hatte es einige wilde Raufereien im Besucherraum des Todestraktes gegeben, alle schmerzvoll, alle denkwürdig. Diesmal allerdings blieb Raymond ruhig.
    »Meine letzte Mahlzeit«, sagte er. »Und meine eigene Familie motzt an mir herum.«
    »Ich nicht«, sagte Inez.
    »Danke, Mama.«
    Leon hob kapitulierend die Hände. »Entschuldige. Wir sind alle ein bisschen nervös.«
    »Nervös?«, sagte Raymond. »Du meinst wohl, ihr seid nervös?«
    »Tut mir leid, Ray.«
    »Mir auch«, sagte Butch, aber nur weil es von ihm erwartet wurde.
    »Lust auf ein Maisbällchen?« Raymond hielt Butch eines entgegen.
    Noch vor ein paar Minuten war ihnen dieses letzte Mahl unwiderstehlich vorgekommen. Und obwohl nach Raymonds wilder Attacke der Tisch halb in Trümmern lag, hätte Butch nur zu gern ein paar Pommes und ein Maisbällchen genommen. Trotzdem lehnte er ab. Es sch ien irgendwie makaber, einem Menschen von seinem letzten Mahl etwas wegzuessen. »Nein danke«, sagte er.
    Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, aaste Raymond weiter, wenn auch langsamer und gemäßigter. Er aß Zitronen- und Schokokuchen auf, dann das Eis, rülpste laut und lachte darüber. »Das ist auf jeden Fall nicht meine letzte Mahlzeit«, sagte er schließlich, »das versprech ich euch.«
    Es klopfte an der Tür, ein Aufseher trat ein und sagte: »Mr. Tanner möchte Sie sehen.«
    »Schicken Sie ihn rein«, sagte Raymond. »Mein leitender Anwalt«, verkündete er seiner Familie stolz.
    Mr. Tanner war ein schmächtiger junger Mann mit Glatzenansatz in einem verblichenen marineblauen Sakko, abgetragenen hellen Baumwollhosen und ausgetretenen Tennisschuhen. Er trug keine Krawatte. Unter dem Arm hatte er einen Stapel Papier. Sein Gesicht war blass und hager, und er sah aus, als hätte er dringend Erholung nötig. Raymond stellte ihn der Familie vor, aber Mr. Tanner machte nicht den Eindruck, als freute er sich in diesem Moment über neue Bekanntschaften.
    »Der Supreme Court hat uns gerade abgewiesen«, verkündete er mit Grabesmiene.
    Raymond schluckte schwer, der Raum versank in Schweigen.
    »Was ist mit dem Gouverneur?«, fragte Leon schließlich. »Und den Anwälten, die mit ihm reden wollten?«
    Tanner warf Raymond einen verdutzten Blick zu. Der sagte: »Ich hab sie alle gefeuert.«
    »Und was ist mit den Anwälten in Washington?«, fragte Butch.
    »Hab ich auch gefeuert.«
    »Und die Großkanzlei in Chicago?«, fragte Leon. »Hab ich auch gefeuert.«
    Tanner blickte zwischen den Graneys hin und her. »Kein guter Zeitpunkt, um Anwälte zu feuern«, sagte Leon.
    »Welche Anwälte?«, fragte Tanner. »Ich bin der einzige Anwalt, der an diesem Fall arbeitet.«
    »Sie sind auch gefeuert.« Raymond rammte sein Glas Eistee so heftig auf den Klapptisch, dass Eis und Tee an die Wand spritzten. »Na los, bringt mich schon um!«, schrie er. »Mir ist es jetzt egal.«
    Ein paar Sekunden lang wagte niemand zu atmen, dann öffnete sich plötzlich die Tür, und der

Weitere Kostenlose Bücher