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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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Halbschuhe berührten sich. Er starrte auf den verfilzten schwarzen Haarschopf über der schiefen Stirn von Michael Cranwell. Arroganz, Starrsinn, Leugnen - all das würde dazu führen, dass er erschossen wurde. Er machte sich nichts vor; er wusste, dass er den nächsten Morgen nicht erleben würde. Und er hatte auch nicht die Absicht, so weiterzumachen wie bisher. Cranwell hatte Recht. Tranes Versicherungsgesellschaft war bereit gewesen, vor Prozessbeginn ein großzügiges Angebot zu machen, doch Stanley Wade hatte abgelehnt. Er verlor nur selten einen Prozess in Ford County und stand in dem Ruf, vor Gericht stets mit harten Bandagen zu kämpfen. Außerdem wurde sein großspuriges Auftreten durch ein freundlich gesinntes oberstes Gericht noch unterstützt.
    »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit«, sagte Cranwell.
    Warum eigentl ich nicht?, dachte Stanley. Warum sollte ich mich beeilen, zu meiner Hinrichtung zu kommen? Er nahm die Brille ab und fuhr sich mit der Hand über seine feuchten Augen. Es waren keine Tränen der Angst; er weinte angesichts der bitteren Realität, mit einem seiner Opfer konfrontiert zu werden. Wie viele davon gab es noch? Warum hatte er sich dafür entschieden, sein Leben damit zu verbringen, diese Leute übers Ohr zu hauen?
    Er wischte sich die Nase am Hemdsärmel ab, setzte seine Brille wieder auf und sagte: »Es tut mir leid. Ich habe mich ganz fürchterlich geirrt.«
    »Versuchen wir's noch mal«, sagte Cranwell. »Gerechtigkeit oder Sieg im Gerichtssaal?«
    »Es war keine Gerechtigkeit, Mr. Cranwell. Es tut mir leid.«
    Cranwell legte die Ordner und den Schriftsatz an ihren Platz in den Schubladen des Aktenschranks zurück und schob sie zu. Er nickte den vier Männern zu, die langsam zur Tür gingen. Plötzlich wurde es unruhig im Raum. Cranwell flüsterte Becky etwas zu. Doyle sagte etwas zu dem Mann, der als Letzter den Raum verließ. Die Tür schwang auf und zu. Cranwell packte Stanley am Arm, riss ihn hoch und knurrte: »Na los.« Als sie das Zimmer verließen und um das Haus herumgingen, fiel Stanley auf, dass es draußen erheblich dunkler geworden war. Sie kamen an den vier Männern vorbei, die irgendetwas in der Nähe eines Geräteschuppens zu tun hatten, und als er ihre Schatten anstarrte, hörte er deu tlich das Wort »Schaufeln«.
    »Da rein«, sagte Cranwell, während er Stanley in den Pick-up stieß, in dem er hergefahren worden war. Plötzlich war die Pistole wieder da. Cranwell fuchtelte Stanley damit vor der Nase herum und drohte: »Eine falsche Bewegung, und ich drücke ab.« Dann schlug er die Tür zu und sagte etwas zu den anderen Männern. Die Fahrertür wurde geöffnet, und Cranwell setzte sich mit der Pistole in der Hand ans Steuer. Er richtete die Waffe auf Stanley. »Legen Sie beide Hände auf die Knie, und wenn Sie auch nur einen Finger bewegen, stecke ich das hier in Ihre Niere und drücke ab. Auf der anderen Seite entsteht dann ein schönes großes Loch. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja«, erwiderte Stanley, während sich seine Fingernägel in seine Knie krallten.
    »Sie halten Ihre Hände ruhig. Ich habe wirklich keine Lust, so eine Schweinerei in meinem Wagen zu veranstalten.«
    »Ja, schon klar.«
    Sie fuhren rückwärts aus der Kieseinfahrt hinaus, und als sie sich vom Haus entfernten, sah Stanley, dass ihnen ein zweiter Pick-up folgte. Cranwell hatte offenbar genug gesagt, denn jetzt schwieg er. Sie rasten durch die Nacht und wechselten bei jeder Gelegenheit die Straße - zuerst eine unbefestigte Piste, dann Asphalt, dann wieder eine unbefestigte Piste, nach Norden, dann nach Süden, Osten und Westen. Stanley konnte die Pistole nicht sehen, doch er wusste, dass sie sich in Cranwells rechter Hand befand, während seine linke Hand den Pick-up lenkte. Stanleys Finger umklammerten immer noch seine Knie, weil er panische Angst hatte, eine falsche Bewegung zu machen. Seine linke Niere tat sowieso schon weh. Er war sicher, dass die Beifahrertür verriegelt war, und jeder Versuch, sie aufstoßen zu wollen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Außerdem war Stanley starr vor Angst.
    Im rechten Außenspiegel sah er das Scheinwerferlicht des zweiten Wagens, in dem, wie er annahm, die Todesschwadron mit ihren Schaufeln saß. Wenn Cranwell um eine Kurve bog oder über einen Hügel fuhr, verschwanden die Scheinwerfer für kurze Zeit, doch sie kamen immer wieder.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte Stanley schließlich.
    »Sie fahren zur Hölle, schätze

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