John Grisham
Waffeln auf einem Backblech aus, um sie in den Ofen zu schieben. Schuldbewusst sieht sie sich noch einmal um, aber niemand beachtet uns. Delores, die andere Köchin, kämpft mit der Kaffeemaschine und ist zu weit weg, um uns zu hören.
»Kennst du Luke Malone von Zimmer vierzehn?«
»Klar, das ist ja in meinem Flügel.« Mr. Malone ist neunundachtzig, bettlägerig, praktisch blind und taub und starrt jeden Tag stundenlang auf einen kleinen Fernseher, der von der Decke hängt.
»Er und seine Frau waren ewig in Zimmer vierzehn. Sie ist letztes Jahr gestorben, Krebs. Aber vor vielleicht zehn Jahren lief was zwischen Mrs. Malone und dem alten Spurlock.«
»Eine Affäre?«
Rozelle ist bereit, alles zu erzählen, braucht jedoch immer wieder ein Stichwort.
»Keine Ahnung, wie man so was nennen soll, aber die beiden hatten ihren Spaß. Spurlock hatte damals noch zwei Füße und war flink wie ein Wiesel. Wenn Mr. Malone nach unten zum Bingo gefahren wurde, flitzte Spurlock in Zimmer vierzehn, rammte einen Stuhl unter die Klinke und hopste mit Mrs. Malone ins Bett.«
»Sind die beiden je erwischt worden?«
»Mehrmals, aber nicht von Mr. Malone. Der hätte auch nichts gemerkt, wenn er im Zimmer gewesen wäre. Keiner hat ihm je was erzählt. Der arme Kerl.«
»Das ist ja fu rchtbar.«
»Das ist Spurlock.«
Dann scheucht sie mich weg, weil sie Frühstück machen muss.
Zwei Tage darauf verabreiche ich Lyle Spurlock statt seiner Schlaftablette ein Placebo. Eine Stunde später gehe ich wieder in sein Zimmer, vergewissere mich, dass sein Mitbewohner fest schläft, und gebe ihm zwei Playboy-Magazine. Diese Art von Literatur ist in Quiet Haven nicht ausdrücklich verboten, aber Mrs. Wilma Drell und die anderen herrschenden Mächte haben sich eindeutig dem Kampf gegen jedwedes Laster verschrieben. Im Heim gibt es keinen Alkohol. Kartenspiele und Bingo ja, aber kein Glücksspiel. Die paar verbliebenen Raucher müssen vor die Tür gehen. Und der Gedanke an Pornographie ist geradezu unvorstellbar.
»Passen Sie auf, dass die keiner sieht«, flüstere ich Spurlock zu, der nach den Magazinen schnappt wie ein verhungernder Flüchtling nach Essen.
»Danke«, sagt er eifrig.
Ich schalte das Licht an seinem Bett ein, klopfe ihm auf die Schulter und wünsche ihm viel Spaß. Nur zu, alter Junge. Lyle Spurlock ist jetzt mein neuester Fan.
Meine Akte über ihn wird dicker. Er ist seit elf Jahren in Quiet Haven. Nach dem Tod seiner dritten Frau fand die Familie offenbar, sie könne sich nicht um ihn kümmern, und steckte ihn ins Altersheim, wo er den Besucherlisten zufolge praktisch vergessen wurde. In den vergangenen sechs Monaten war eine Tochter aus Jackson zweimal da. Sie ist mit einem Bauträger für Einkaufszentren verheiratet, der ziemlich wohlhabend ist. Mr. Spurlock hat einen Sohn in Fort Worth, der Eisenbahnfracht disponiert und seinen Vater nie besucht. Laut Postregister schreibt er noch nicht einmal Briefe oder Karten. Mr. Spurlock hatte viele Jahre seines Lebens einen kleinen Elektrobetrieb in Clanton und besitzt kaum Vermögen. Dagegen hatte seine dritte Frau, die selbst bereits zwei Ehen hinter sich hatte, zweihundertsechzig Hektar Land in Tennessee geerbt, als ihr Vater im Alter von achtundneunzig Jahren das Zeitliche segnete. Ihr Testament wurde vor zehn Jahren in Polk County gerichtlich bestätigt, und als ihr Nachlass abgewickelt wurde, ging das Land an Mr. Lyle Spurlock. Es besteht eine reelle Chance, dass seine beiden Sprösslinge nichts davon wissen.
Es kostet stundenlange, mühevolle Recherche im Grundbuch, um diese Schätze zu entdecken. Oft bleibt meine Suche ergebnislos, aber wenn ich auf solch ein Geheimnis stoße, wird es spannend.
Heute Abend habe ich frei, und Miss Ruby besteht darauf, dass wir einen Cheeseburger essen gehen. Sie fährt einen endlos langen, knallroten Cadillac Baujahr 1972, in dem bequem acht Fahrgäste Platz finden. Während ich sie chauffiere, redet und gestikuliert sie und schlürft ihren Jimmy, wobei sie eine Hand mit einer Marlboro aus dem Fenster baumeln lässt. Im Vergleich zu meinem VW Käfer komme ich mir im Cadillac vor wie in einem Bus. Der Wagen passt kaum in den Parkplatz am Sonic Drive-In, einer zeitgenössischen Version des alten Klassikers, die für deu tlich kleinere Fahrzeuge gedacht ist. Aber ich quetsche mich rein, und wir bestellen Burger, Pommes und Cola. Sie besteht darauf, dass wir auf der Stelle essen, und ich tue ihr den Gefallen gern.
Bei Jim Beam mit Soda am
Weitere Kostenlose Bücher