John Grisham
der Schweiß tropft ihm von den Brauen und sammelt sich unter seinen Armen. Keiner der beiden beachtet uns, als sie vorbeirasen.
»Können Sie sie nicht zur Räson bringen?«, frage ich.
»Das haben wir versucht, aber Walters Enkel ist Anwalt und hat Krach geschlagen. Er hat damit gedroht, uns zu verklagen. Donny Ray hat Walter einmal umgekippt, keine ernsthaften Verletzungen, aber vielleicht eine leichte Gehirnerschütterung. Wir haben uns gehütet, die Familie zu informieren. Falls er weitere Hirnschäden erlitten hat, fällt es zumindest nicht auf.«
Wir beenden unseren Rundgang Schlag siebzehn Uhr, als Schwester Nancy Feierabend hat. Meine Schicht beginnt in vier Stunden, und ich weiß nicht, wo ich hinsoll. Meine Wohnung kommt nicht infrage, weil sich Miss Ruby bereits angewöhnt hat, nach mir Ausschau zu halten, und wenn sie mich erwischt, muss ich mit ihr auf der Veranda vor dem Haus einen kleinen Jimmy trinken. Egal, wie spät es ist, ein Drink geht bei ihr immer. Und ich kann Bourbon wirklich nicht ausstehen.
Also bleibe ich. Ich ziehe meine weiße Pflegerjacke an und unterhalte mich mit den Leuten. Ich begrüße Mrs. Wilma Drell, die sehr mit der Leitung der Einrichtung beschäftigt ist. Ich schlendere zur Küche und stelle mich den beiden schwarzen Damen vor, die den elenden Fraß kochen. Die Küche ist nicht so sauber, wie sie sein sollte, und ich fange an, mir im Geiste Notizen zu machen. Um achtzehn Uhr trudeln allmählich die Essensgäste ein. Manche können ohne Hilfe gehen, und diese stolzen glücklichen Seelen geben sich alle Mühe, die übrigen Senioren daran zu erinnern, wie viel gesünder sie sind. Sie kommen früh, begrüßen ihre Freunde, helfen den Rollstuhlfahrern, ihren Platz zu finden, und eilen, so schnell es ihnen möglich ist, von einem Tisch zum anderen. Manche, die sonst Krücken und Rollator nutzen, lassen ihre Gehhilfen vor der Tür der Cafeteria stehen, damit ihre Mitpatienten sie nicht sehen. Denen helfen die Pfleger zu ihren Tischen. Ich mache mit, biete meine Hilfe an und stelle mich dabei vor.
Quiet Haven hat gegenwärtig zweiundfünfzig Bewohner. Ich zähle achtunddreißig, die sich zum Abendessen versammelt haben, als Bruder Don aufsteht, um den Segen zu sprechen. Plötzlich sind alle still. Er ist Prediger im Ruhestand, erfahre ich, und besteht darauf, vor jeder Mahlzeit ein Gebet zu sprechen. Bruder Don ist an die neunzig, aber seine Stimme ist immer noch klar und erstaunlich kräftig. Er spricht sehr lange, und bevor er zum Ende kommt, fangen ein paar der anderen an, mit Messer und Gabel zu klappern. Das Essen wird auf Plastiktabletts serviert, wie ich sie aus der Grundschule kenne. Heute Abend gibt es gebackene Hähnchenbrust - ohne Knochen - mit grünen Bohnen, Kartoffelpüree aus der Packung und - wie könnte es anders sein - Götterspeise. Heute Abend ist sie rot. Morgen wird sie gelb oder grün sein. Das ist in jedem Pflegeheim so. Ich weiß nicht, warum. Manchmal denke ich, selbst wenn wir unser ganzes Leben lang einen Bogen um Götterspeise machen, gibt es am Ende doch kein Entrinnen. Endlich verstummt Bruder Don und setzt sich, und das Festmahl beginnt.
Denjenigen, die zu gebrechlich für den Speisesaal sind, und den Unberechenbaren im rückwärtigen Flügel wird das Essen aufs Zimmer gebracht. Ich melde mich freiwillig zu diesem Dienst. Einige der Patienten haben nicht mehr lange auf dieser Welt.
Für die abendliche Unterhaltung sorgt diesmal eine Sippe Pfadfinderwölflinge, die Punkt neunzehn Uhr antreten und selbst dekorierte braune Tüten mit Keksen, Brownies und Ähnlichem verteilen. Dann versammeln sie sich am Klavier und geben »God Bless America« und ein paar Lagerfeuerlieder zum Besten. Achtjährige Jungen singen nicht freiwillig, und die Melodie wird von den Sippenmüttern gehalten. Um 19.30 Uhr ist die Vorstellung zu Ende, und die Bewohner schlendern allmählich wieder in ihre Zimmer zurück. Ich schiebe einen Rollstuhlfahrer und helfe dann beim Aufräumen. Die Stunden ziehen sich in die Länge. Ich bin dem Südflügel zugeteilt: elf Zimmer mit je zwei Personen, ein Einzelzimmer.
Um einundzwanzig Uhr ist Medikamentenausgabe, einer der Höhepunkte des Tages, zumindest für die Bewohner. Wer von uns hat sich nicht schon über seine Großeltern und ihr lebhaftes Interesse an ihren Leiden, Behandlungsmethoden, Prognosen und Medikamenten amüsiert, die jedem, der bereit war zuzuhören, in allen Einzelheiten geschildert wurden? Diese merkwürdige Liebe
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