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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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praktisch aus dem Geschäft.
    Als einziger anderer Vermögenswert ist beim County der 1972er-Cadillac verzeichnet. Letztes Jahr hat sie dafür neunundzwanzig Dollar Kraftfahrzeugsteuer bezahlt.
    Den Cadillac habe ich auch im Sinn, als ich mich um acht Uhr morgens bei meiner Rückkehr von der Arbeit von ihr erwischen lasse.
    »Morgen, Gill«, pfeift sie aus ihren teergeschwärzten Lungen. »Wie wär's mit einem Jimmy?«
    Sie sitzt auf der schmalen Veranda vor dem Haus und trägt ein grauenhaftes Sammelsurium, bestehend aus rosa Schlafanzug, fliederfarbenem Bademantel, roten Gummibadeschuhen und einem breitkrempigen schwarzen Hut, der mehr Regen abhält als ein Schirm. Mit anderen Worten, eins ihrer üblichen Outfits.
    Ich werfe einen Blick auf die Uhr, lächle und sage: »Klar.«
    Sie verschwindet im Haus und taucht umgehend mit zwei großen Wassergläsern mit Jim Beam und Soda wieder auf. Zwischen ihren klebrigen roten Lippen steckt eine Marlboro, die beim Sprechen munter auf und ab hüpft. »Alles in Ordnung im Pflegeheim, Gill?«
    »Das Übliche. Haben Sie gut geschlafen?«
    »Ich war die ganze Nacht wach.«
    »Tut mir leid, das zu hören.« Sie ist die ganze Nacht wach, weil sie tagsüber schläft, ein Überbleibsel aus ihrem früheren Leben. Normalerweise schlägt sie sich bis etwa zehn Uhr morgens mit dem Whiskey herum, geht dann ins Bett und schläft, bis es dunkel wird.
    Wir reden über dies und das, und ich höre noch mehr Klatsch über Menschen, denen ich nie begegnen werde. Ich spiele mit meinem Drink, traue mich aber nicht, allzu viel übrig zu lassen. Sie hat bereits des Öfteren meine Männlichkeit angezweifelt, wenn ich mich davonstehlen wollte, ohne den Bourbon bis zum Ende zu genießen.
    »Miss Ruby, kennen Sie eigentl ich jemanden namens Lyle Spurlock?«, frage ich in einer Gesprächspause.
    Es dauert eine ganze Weile, bis sie alle Männer, die sie je gekannt hat, durchgegangen ist. Spurlock gehört nicht dazu. »Leider nicht, mein Lieber. Warum?«
    »Das ist ein Patient von mir, im Grunde der, der mir am liebsten ist, und ich wollte heute Abend mit ihm ins Kino gehen.«
    »Das ist aber nett von Ihnen.«
    »Im Autokino läuft ein Double Feature.«
    Sie prustet ihren Whiskey fast in den Vorgarten und lacht, bis sie keine Luft mehr bekommt. Als sie sich wieder beruhigt hat, sagt sie schließlich: »Sie gehen mit einem alten Mann in Pornofilme?«
    »Klar. Warum nicht?«
    »Ist ja witzig.« Sie amüsiert sich immer noch hervorragend und zeigt ihre großen gelben Zähne. Ein Schluck Jimmy, ein Zug an der Zigarette, und sie hat sich wieder im Griff.
    Den Archiven der Ford County Times zufolge, zeigte das Daisy Drive-In im Jahre 1980 die Freilichtversion von Deep Throat und brachte damit in Clanton die Volksseele zum Kochen. Es gab Proteste, Märsche, Verordnungen, Prozesse gegen Verordnungen, Predigten und noch mehr Predigten, Politikerreden, und als der Wirbel vorüber war und sich der Staub legte, war das Autokino immer noch im Geschäft, zeigte immer noch Pornos, wenn ihm danach war, und wurde dabei durch die Auslegung des Ersten Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten durch ein Bundesgericht geschützt. Als Kompromisslösung erklärte sich der Eigentümer jedoch bereit, fragwürdige Filme nur noch am Mittwochabend laufen zu lassen, wenn alle Kirchgänger in der Kirche waren. An den anderen Abenden dominierten Horrorfilme für Teenager, aber er versprach, möglichst viele Disneyfilme zu besorgen. Das half ihm auch nicht. Die Christen hatten das Daisy so lange boykottiert, dass es allgemein als Geißel der Gesellschaft galt.
    »Ihr Auto kann ich mir wohl nicht leihen?«, frage ich in unschuldigem Ton.
    »Warum?«
    »Na ja.« Ich deute mit dem Kopf auf meinen schäbigen kleinen Käfer, der am Straßenrand parkt. »Der ist ein bisschen klein.«
    »Wie war's, wenn Sie sich einfach ein größeres Auto kaufen?«
    Klein mag er ja sein, aber er ist trotzdem mehr wert als ihr Tanker.
    »Ich denke drüber nach. Heute Abend könnte es auf jeden Fall eng werden. War nur so ein Gedanke, so wichtig ist es nicht. Ich kann schon verstehen, wenn Ihnen das nicht recht ist.«
    »Lassen Sie mich nachdenken.« Sie lässt ihr Eis klirren. »Ich glaube, ich gönne mir noch ein Schlückchen. Und Sie?«
    »Nein danke.« Meine Zunge brennt wie Feuer, und ich bin plötzlich völlig erledigt. Ich gehe zu Bett. Sie geht zu Bett. Nach ausgiebigem Schlaf treffen wir uns in der Abenddämmerung wieder auf ihrer Veranda,

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