John Grisham
zum Detail nimmt mit dem Alter noch zu, worüber gern heimlich gekichert wird, was die Alten sowieso nicht mitbekommen. In Pflegeheimen ist es noch schlimmer, weil die Patienten von ihren Familien abgeschoben worden sind und kein Publikum mehr haben. Daher packen sie jede Gelegenheit beim Schopf, sich über ihre Gebrechen auszulassen, sobald jemand vom Personal in Hörweite kommt. Und wenn dieser Jemand auch noch ein Pillentablett dabeihat, ist die Erregung geradezu greifbar. Einige täuschen Misstrauen, Ablehnung und Angst vor, aber auch die schlucken bald die Medikamente und spülen sie mit Wasser herunter. Jeder bekommt dieselbe kleine Schlaftablette, eine, die ich selbst gelegentlich genommen habe, ohne dass sich die geringste Wirkung gezeigt hätte. Die meisten Medikamente sind echt, aber bei diesem nächtlichen Ritual werden auch eine Menge Placebos konsumiert.
Nach der Pillenausgabe wird es ruhig, und die Bewohner richten sich für die Nacht im Bett ein. Um zweiundzwanzig Uhr wird das Licht ausgeschaltet. Wie erwartet habe ich den Südflügel ganz für mich allein. Im Nordflügel gibt es eine weitere Pflegekraft, und zwei Pfleger kümmern sich um die »Bedauernswerten« im rückwärtigen Flügel. Weit nach Mitternacht, als alles, einschließlich des übrigen Pflegepersonals, schläft und ich allein bin, beginne ich, am Empfang herumzuschnüffeln und mir Berichte, Protokolle und was ich sonst noch so finde, zu Gemüte zu führen. Wie immer in diesen Heimen sind die Sicherheitsvorkehrungen ein Witz. Das Computersystem ist erwartungsgemäß Standard, und es wird nicht lange dauern, bis ich es geknackt habe. Ich habe im Dienst immer eine kleine Kamera in der Tasche, mit der ich Dinge wie verdreckte Sanitärräume, nicht abgesperrte Apotheken, schmutzige Bettwäsche, frisierte Krankenakten, abgelaufene Lebensmittel, vernachlässigte Patienten und so weiter dokumentiere. Die Liste ist lang und trostlos, und ich bin immer auf der Suche.
Das Gerichtsgebäude von Ford County steht auf einem prächtigen gepflegten Rasen im Stadtzentrum von Clanton inmitten von Brunnen, alten Eichen, Parkbänken, Kriegerdenkmälern und Pavillons. Während ich neben einem davon stehe, kann ich die Parade zum 4. Juli und die Wahlkampfreden geradezu hören. Auf einem Granitsockel blickt ein einsamer Soldat der Konföderierten mit dem Gewehr in der Hand nach Norden und hält Ausschau nach dem Feind, zur Erinnerung an eine ruhmreiche, verlorene Sache.
Im Gericht finde ich das Grundbuch bei der Geschäftsstelle des Chancery Court, wie bei den Gerichten aller Countys dieses Bundesstaates. Bei dieser Art von Recherche trage ich immer einen marineblauen Blazer mit Krawatte, eine adrette Baumwollhose und elegante Schuhe, mit denen ich problemlos als auswärtiger Anwalt durchgehe, der Eigentumsverhältnisse überprüft. Von diesen Juristen gibt es viele, sie kommen und gehen. Eintragen muss ich mich nirgends. Ich sage nichts, es sei denn, jemand richtet das Wort an mich. Da die Unterlagen öffentlich zugänglich sind, wird der Publikumsverkehr nur mangelhaft von Sachbearbeitern überwacht, die zu desinteressiert sind, um irgendetwas zu merken. Bei meinem ersten Besuch will ich mich nur mit dem Register, dem System vertraut machen, damit ich später alles finde. Urkunden, Übertragungen von Grundstücksrechten, Grundpfandrechte, gerich tlich bestätigte Testamente, alle Arten von Einträgen, mit denen ich mich in naher Zukunft eingehender befassen muss. Das Verzeichnis der Steuerzahler wird ein paar Türen weiter im Büro des Steuerveranlagungsbeamten aufbewahrt. Für die anhängigen Verfahren ist die Geschäftsstelle des Circuit Court im Erdgeschoss zuständig. Nach ein paar Stunden kenne ich mich aus, ohne mit irgendwem gesprochen zu haben. Ich bin nur einer von vielen auswärtigen Anwälten, die ihrem Alltagsgeschäft nachgehen.
Wenn ich in ein neues Heim komme, suche ich mir zunächst einmal eine Person, die schon seit Jahren dabei ist und mich bereitwillig über den Klatsch informiert. Diese Person arbeitet normalerweise in der Küche, ist häufig schwarz, oft eine Frau, und wenn hier tatsächlich eine Schwarze kocht, weiß ich, wie ich mir meine Quelle erschließe. Schmeichelei ist Zeitverschwendung, weil diese Frauen eine Nase dafür haben, wenn sie jemand hinters Licht fuhren will. Das Essen zu loben, bringt nichts - sie wissen selbst, was für ein furchtbarer Fraß das ist. Dafür können sie nichts. Sie bekommen die Zutaten hingeknallt
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