John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
heißem Metall.
»Wie steht’s – hast du Lust auf eine Runde Jogging?«
»Nichts lieber als das, besonders mitten in der Nacht, in einem Tausend-Dollar-Kleid und mit diesen Sandalen an den Füßen und hunderten von schießwütigen Typen, die uns auf den Fersen sind.«
»Sei froh, dass die Schuhe flach sind.« Er zerschlug mit dem Pistolengriff die Innenraumbeleuchtung, damit beim Aussteigen kein verräterisches Licht anging.
Vorsichtig kroch sie vom Boden hoch. Überall, auf den Sitzen, auf ihren Schultern und in ihren Haaren waren Glassplitter. Unter den Bäumen war es sehr dunkel. Ihre Seitentür ließ sich nicht mehr öffnen, wahrscheinlich hatte eine Kugel den Schließmechanismus getroffen. Sie krabbelte über die Gangschaltung, und bei jeder ihrer Bewegungen hörte man das Knirschen von Glassplittern.
John stieg aus, beugte sich zu ihr hinein und hob sie vorsichtig aus dem Wagen und stellte sie wieder auf die Füße. »Schütteln«, sagte er.
Beide beugten sich vor und schüttelten Kopf, Arme und Kleidung aus, um die Glassplitter loszuwerden. Ihre Arme und Schultern brannten zwar ein wenig, aber als sie sie vorsichtig abtastete, blieben ihre Finger erstaunlicherweise trocken, sie blutete nicht. Es war schon ein Wunder, dass sie überhaupt noch am Leben waren, aber dass sie obendrein nicht einen Kratzer abbekommen hatten, war unfassbar.
Doch als sie sich wieder aufrichtete, hatten sich ihre Augen ein wenig besser an die Dunkelheit gewöhnt, und da sah sie, dass Johns eine Gesichtshälfte dunkler war als die andere. Der Magen drohte ihr wegzurutschen. »Du bist verletzt«, stieß sie, um einen möglichst ruhigen Ton bemüht, hervor. Er durfte nicht angeschossen sein, nein, das konnte nicht sein. Sie hatte das Gefühl, ihr Leben hinge davon ab, dass es ihm gut ging.
»Keine Kugel, nur Glassplitter.« Das klang eher gereizt als besorgt. Er zog sein seidenes Smokingtaschentuch aus der Brusttasche und drückte es sich an die Stirn. »Hast du noch beide Pistolen?«
»Im Wagen«, erwiderte sie. Sie beugte sich hinein und holte sie vorsichtig heraus. »Was ist mit meinem Werkzeug? Sollen wir das hier lassen?« Sie hatte wirklich keine Lust, es mit sich rumzuschleppen.
»Gib’s mir.«
Sie reichte ihm den schweren Samtbeutel. Er nahm die Werkzeuge heraus und warf sie, eins nach dem anderen, in hohem Bogen ins Gebüsch. Der Werkzeugbeutel durfte nicht gefunden werden, denn sonst würde sich Ronsard fragen, wozu sie ihn gebraucht hatten, und da man sie beim Verlassen seines Büros ertappt hatte, würde er sicher sämtliche elektrischen Leitungen in seinem Büro untersuchen lassen und die Wanze finden. Nur so konnte sie entdeckt werden, denn kein Abhörgerät ließ sich verbergen, wenn die Leitungen selbst geöffnet wurden.
»Hast du deine Stola?«
»Wozu soll die jetzt noch gut sein?«
»Sie ist schwarz, und damit kannst du deine nackten Arme und Schultern einwickeln, damit man sie im Dunkeln nicht sieht.« Sie holte ihre Stola und ihr Abendtäschchen aus dem Wagen, auch wenn sie eine Zeit lang in den Glassplittern herumtasten musste, bis sie alles fand. Die Abendtasche war vollkommen nutzlos, es befand sich nichts Brauchbares darin, nicht einmal Geld. Ihr ganzes Geld, ihr Pass, alles, lag noch in ihrem Zimmer. Um den Pass machte sie sich keine Gedanken, er war ohnehin gefälscht, und John würde auch so einen Weg finden, sie nach Hause zu bringen, aber das Geld hätten sie jetzt schon brauchen können.
John nahm ihr das Täschchen ab, doch anstatt es ebenfalls in die Büsche zu werfen, schob er es in seine Jackentasche. »Komm.«
Im Dunkeln durch den Wald zu laufen war viel zu gefährlich, dabei riskierte man bloß gestauchte Fußgelenke oder gar gebrochene Knochen. Deshalb tasteten sie sich vorsichtig durch Bäume und Gebüsch weiter, immer wieder stehen bleibend und auf etwaige Verfolger lauschend. Doch der Verkehrslärm von der Straße wurde zunehmend leiser. Trotzdem, sie konnten nicht hoffen, dass sich Ronsards Männer sehr viel länger täuschen ließen.
Dann erreichten sie den Waldrand und eine schmale Landstraße. »Wir werden vorläufig auf dieser Straße bleiben«, entschied John. »So kommen wir leichter vorwärts, und im Dunkeln sehen wir sowieso jeden, der sich uns nähert, eher als er uns.«
»Und haben wir ein bestimmtes Ziel, oder schauen wir nur, dass wir wegkommen?«
»Nizza.«
»Wieso Nizza? Wieso nicht Lyon? Das ist näher.«
»Ronsard wird den Flughafen in Lyon beobachten
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