John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
gegenüber so wehrlos war. Wenn er auch nur ansatzweise eine ähnliche Schwäche für sie hätte, wäre das Ganze nicht so hoffnungslos. Sie wusste, dass er sie mochte; sein Körper hatte beim Küssen auf sie reagiert, und was die Sache in Ronsards Büro betraf, so konnte man beileibe nicht behaupten, dass er versagt hätte. Doch die physische Reaktion eines Mannes war etwas Automatisches, sie durfte daher nicht zu viel hineininterpretieren. Männer waren, wie er selbst gesagt hatte, ganz einfache Wesen. Alles, was sie brauchten, war ein warmer Körper. Und warm war der ihre weiß Gott gewesen.
Sie konnte hier stehen und die Mühle ihrer Gedanken den ganzen Tag rennen lassen, wie einen Hamster im Laufrad, doch am Ende lief es immer auf dasselbe hinaus: Sie konnte keine Zukunft mit John sehen. Er war, was er war. Er lebte in einer Schattenwelt und riskierte fast täglich seinen Hals, und so etwas wie ein Privatleben besaß er nicht. Selbst das liebte sie an ihm, denn wie viele Menschen waren bereit, das zu tun, was er tat, die Opfer zu bringen, die er brachte?
Alles, was sie tun konnte, war hoffen, ihn gelegentlich zu sehen. Und wenn es nur alle fünf Jahre wäre, das würde schon reichen, Hauptsache, sie konnte sich davon überzeugen, dass er noch am Leben war.
Erschaudernd drängte sie diesen letzten Gedanken beiseite und setzte sich schließlich in Bewegung, zog ihre dreckigen Sachen aus und trat unter die heiße Dusche. Sie versuchte an nichts zu denken, während sie sich einseifte und schrubbte und sich Shampoo in die Haare massierte. Ein besonders hartnäckiger Fleck an ihrem Oberschenkel wollte nicht weggehen, egal wie sie auch rubbelte, und da erst merkte sie, dass es ein blauer Fleck war.
Jetzt, wo sie sauber war, ging es ihr zwar ein wenig besser, doch das Gesicht, das ihr aus dem Badezimmerspiegel entgegenblickte, war blass und angespannt und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie nützte alles Angebotene weidlich aus, putzte sich die Zähne, cremte sich mit der Feuchtigkeitslotion ein und föhnte sich die Haare. Ja, sie fand sogar eine Tube mit Wundsalbe und tupfte sich damit die Blasen und aufgeriebenen Stellen an den Füßen ein.
Diese Körperpflegerituale übten eine beruhigende Wirkung auf Niema aus, besänftigten ihre angekratzten Nerven. Jetzt konnte sie schlafen, dachte sie und brachte sogar ein kleines Lächeln zu Stande. Als ob das je in Zweifel gestanden hätte! Sie hatte vor, die nächsten zehn Stunden in der Horizontale zu verbringen, wenn möglich sogar länger.
Um ihre schmutzigen Sachen würde sie sich später kümmern, beschloss sie und wickelte sich in den flauschigen Frotteemantel. Alles, was sie jetzt wollte, war schlafen.
Sie öffnete die Tür und erstarrte. John stand direkt vor ihr, nur mit einem feuchten Handtuch um die Hüften. Er hatte bereits geduscht; sie konnte sehen, dass noch ein paar Wassertröpfchen in seinen krausen Brusthaaren funkelten. Niema ballte die Hände zu Fäusten und wickelte sie in den Gürtel ihres Frotteemantels, um sich davon abzuhalten, ihn zu berühren, die Handflächen an diese warme Muskelwand zu pressen und seinen Herzschlag unter ihren Fingern zu fühlen.
»Bist du schon fertig?«, fragte sie überrascht.
»Ja, ging ganz schnell. Musste nur die Diskette reinschieben, die Verbindung zum Satelliten herstellen und das ganze Paket weiterschicken. Ist alles erledigt.«
»Gut. Du bist sicher genauso müde wie ich.«
Er stand direkt vor der Badezimmertür, blockierte ihr den Weg und blickte mit einem rätselhaften Ausdruck in den leuchtenden blauen Augen zu ihr herab. »Niema …«
»Ja?«, hakte sie nach, als er nichts weiter sagte.
Da streckte er die Hand aus, Handfläche nach oben, und sagte: »Würdest du mit mir schlafen?«
Ihr Herz machte einen solchen Satz, dass ihr die Knie weich wurden. Sie starrte zu ihm auf, fragte sich, was wohl hinter diesen undurchdringlichen blauen Augen vorgehen mochte, und dann erkannte sie, dass es egal war. Im Moment zählte nur eins: dass sie mit ihm zusammen sein konnte. Sie legte ihre Hand in die seine und flüsterte: »Ja.«
Kaum war das Wort heraus, packte er sie auch schon und hob sie hoch. Sein Mund senkte sich auf den ihren, verschlang sie geradezu heißhungrig. Er schmeckte nach derselben Zahnpasta, die sie auch benutzt hatte. Seine Zunge fuhr drängend in ihrem Mund herum, und ihre Zunge stand dem in nichts nach. Sie schlang die Arme um seinen Hals und ließ sich fallen, ergab sich der
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