John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
seine Lebenserwartung betraf, die konnte man ebenfalls vergessen.
Außerdem war er davon ausgegangen, dass er der Allerletzte wäre, den sie wieder sehen wollte. Es haute ihn um, dass sie ihm keine Schuld an Dallas’ Tod gab, es nie getan hatte. Nein, sie warf ihm nichts vor, obwohl sie ihm nie getraut hatte. Nur ein überaus fair denkender Mensch brachte es fertig, ihn von jeder Schuld freizusprechen.
Er hatte gelernt, sich wegen der Entscheidung, die er manchmal treffen musste, nicht unnötig zu quälen. Einige dieser Entscheidungen waren ganz schön hart, und jede einzelne hinterließ Spuren auf seiner Seele, zumindest auf dem, was davon noch übrig war. Aber andere sahen die Dinge meist nicht so wie er, und auch das hatte er lernen müssen zu akzeptieren. Er nutzte sie aus, benutzte sie nach Belieben, und danach hinterging er sie entweder oder verschwand total aus ihrem Leben. In seinem Beruf konnte er es sich nicht leisten, Menschen zu nahe an sich heranzulassen. Das hatte er einmal vergessen und eine Frau in sein Leben gelassen, ja, sie gar geheiratet. Venetia war die reinste Katastrophe für ihn gewesen, sowohl in professioneller als auch in persönlicher Hinsicht, und in den vierzehn Jahren, die seitdem vergangen waren, war er strikt solo geblieben.
Mehrmals in den letzten fünf Jahren war er froh gewesen, dass Niema Burdock ihn wahrscheinlich hasste wie die Pest. Das half ihm, der gelegentlichen Versuchung zu widerstehen, sie wieder sehen zu wollen. Es war besser so. Es genügte, wenn er sich ab und zu nach ihr erkundigte, sich davon überzeugte, dass es ihr gut ging – immerhin hatte er Dallas versprochen, sich um sie zu kümmern –, und das wär’s.
Er war wirklich davon ausgegangen, dass sie inzwischen einen anderen Mann kennen gelernt hätte. Sie war jung, erst fünfundzwanzig, als sie Witwe wurde, und sie war nicht nur klug, sondern auch schön. Er hatte gewollt, dass sie jemand anderen kennen lernte, denn dann wäre sie für immer außerhalb seiner Reichweite gewesen. Aber sie hatte nicht, und er war’s leid, den Edelmütigen zu spielen.
Sie hatte genug Chancen gehabt. Jetzt war er am Zug.
Aber sie würde wahrscheinlich vor ihm Reißaus nehmen, wenn er sie einfach bäte, mit ihm auszugehen. Nein, er musste die Sache extrem vorsichtig anfangen, ganz behutsam, sodass sie den Haken nie spürte, an dem er sie hatte. Er musste die Leine sehr langsam, unmerklich einziehen, als hinge ihm ein Weltklassebarsch an einer hauchdünnen Angelschnur. Sein Vorteil war ihre eigene Natur, ihre Abenteuerlust, die sie so entschlossen zu begraben versuchte, und eine echt knifflige Situation, in der er sie brauchte. Sein Nachteil war die Tatsache, dass sie ihm, trotz des seltsamen Bands, das nach Dallas’ Tod zwischen ihnen entstand, nicht über den Weg traute; er hatte von jeher gewusst, dass sie nicht dumm war.
Frank hatte sie unter einem hirnrissigen Vorwand in sein Haus geholt, hatte es gut gemeint, hatte den Amor spielen wollen. Na ja, möglicherweise hatte es sogar geklappt. Und eventuell war der Vorwand ja gar nicht so hirnrissig gewesen. Johns Gedanken rasten. Er wog Vorteile und Risiken ab. Dann beschloss er, aufs Ganze zu gehen.
»Der Absturz von Delta Flug Nummer 183 war Sabotage. Das FBI hat Spuren eines Explosivstoffs gefunden, aber keinen Zünder. Das Zeug scheint was ganz Neues zu sein, ein selbstzündender Sprengstoff, wahrscheinlich basierend auf R.D.X. und entwickelt in Europa.«
Sie hielt sich die Ohren zu. »Ich will das nicht hören.«
John ging um die Arbeitsinsel herum, ergriff ihre Hände und zog sie nach unten. Seine langen Finger umschlossen ihre zarten Handgelenke wie Stahlbänder. »Alles, was aus Europa stammt, geht durch die Hände eines Waffenhändlers namens Louis Ronsard. Er lebt in Südfrankreich.«
»Nein«, sagte sie.
»Du musst mir helfen, an seine Computerfiles ranzukommen und rauszufinden, wo das Zeug hergestellt wird und wer schon alles eine Lieferung erhalten hat.«
»Nein«, wiederholte sie, diesmal mit einem Anflug von Verzweiflung. Aber sie versuchte nicht, sich von ihm loszureißen.
»Ronsard hat eine Schwäche für schöne Frauen …«
»Mein Gott, willst du etwa, dass ich mich für dich prostituiere?« , erkundigte sie sich fassungslos, die dunklen Augen zu gefährlichen Schlitzen verengt.
»Aber nein, was fällt dir ein!«, fuhr er sie an. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass Ronsard sie in seine schmutzigen Finger bekam oder sonst irgendein anderer
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