John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
hereinbrach, und er hatte nicht versucht, sie zu trösten, da er wusste, dass es besser war, den Tränen freien Lauf zu lassen.
Alles in allem verdankte sie diesem Mann ihr Leben.
Medina die Schuld zuzuschieben wäre einfach, viel einfacher, als sie bei sich selbst zu suchen. Aber jener innere Kern aus Stahl, der schon Dallas zu ihr hingezogen hatte, machte ihr das unmöglich. Nein, sie konnte nichts anderes sehen als die Wahrheit: Als Medina wegen dieses Jobs an sie und Dallas herantrat, hatte Dallas ablehnen wollen. Sie war diejenige, die ihn drängte, gemeinsam anzuheuern. Sicher, sie konnte sich einreden, dass es eine sehr wichtige Aufgabe gewesen war, was ja auch stimmte, trotzdem hätte es genug andere gegeben, an die sich Medina hätte wenden können, wenn sie nein gesagt hätten.
Ja, Dallas war ein gesuchter Sprengstoffexperte gewesen. Sie wiederum kannte sich mit Elektronik aus, egal, ob es nun darum ging, ein funktionierendes Funkgerät zusammenzubasteln oder einen Zünder oder darum, eine Telefonleitung anzuzapfen. Aber es gab andere, die auf diesem Gebiet ebenso gut waren wie sie, die hätten den Job genauso gut erledigt. Sie wollte gehen, nicht weil sie sich etwa für unersetzlich hielt, sondern weil das Abenteuer lockte.
Als Kind war sie dauernd diejenige gewesen, die am höchsten kletterte, die Bettlaken zusammenknotete und damit aus dem Fenster im ersten Stock rutschte. Sie liebte Achterbahnen und Wildwasserfahrten und hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, zu einem Bombeneinsatzkommando zu gehen. Zur immensen Erleichterung ihrer Eltern hatte sie stattdessen Elektrotechnik und Sprachen studiert. Doch hatten sie ihre Kenntnisse letzten Endes weiter von zu Hause fortgeführt, als es beim örtlichen Bombeneinsatzkommando je der Fall gewesen wäre.
Niema kannte sich. Sie liebte die Gefahr, die Spannung, den Adrenalinrausch. Sie hatte diese Gefahr in ihrem Beruf gesucht, und sie hatte dabei Dallas’ Leben aufs Spiel gesetzt. Wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätten sie sich ein Haus an der Küste von North Carolina gesucht, so wie Dallas es wollte.
Wenn sie nicht wäre, dann wäre Dallas heute noch am Leben.
Also hatte sie es aufgegeben, dieses Leben am Abgrund, das sie so sehr liebte. Der Preis dafür war ihr einfach zu hoch. Dallas’ letzter Gedanke hatte ihr gegolten, und das bedeutete ihr zu viel, um ihr Leben noch einmal leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Medina fuhr eine Wagenlänge an ihrer Einfahrt vorbei und stieß dann zurück, um rückwärts zu parken. Mit dem Hausschlüssel in der Hand stieg sie aus. Dallas hatte den Wagen auch immer mit der Schnauze zur Straße abgestellt, eine einfache Vorsichtsmaßnahme, falls sie schnell weg mussten. Außerdem konnte man auf diese Weise nicht so leicht eingekeilt werden.
Komisch, daran hatte sie seit Jahren nicht mehr gedacht; sie fuhr einfach vorwärts in die Garage, so wie Millionen andere. Aber Medinas Methode rief ihr mit einem Mal alle möglichen Dinge wieder in Erinnerung: die plötzliche Wachsamkeit, die Klarheit der Sinne, der rasche Puls. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich umsah, wie sie jeden Schatten zu durchdringen suchte und aus den Augenwinkeln auf plötzliche Bewegungen achtete.
Medina tat das Gleiche, nur viel schneller und routinierter als sie.
»Verdammt«, sagte Niema irritiert und stakste auf ihre Haustür zu, die ein wenig zurückgesetzt unter einem Türbogen lag.
»›Verdammt‹ was?« Schon war er bei ihr, lautlos drängte er sie zurück, sodass er den Türbogen vor ihr erreichte. Doch kein Angreifer lauerte dort, nicht dass sie einen erwartet hätte. Sie wünschte nur, sie hätte nicht bemerkt, was er tat.
»Verdammt, eine halbe Stunde mit dir genügt, und ich sehe schon überall Gespenster.«
»Ein wenig Wachsamkeit kann nie schaden.«
»Wenn ich beim Secret Service wäre oder ein Bulle, würde ich dir beipflichten, aber das bin ich nicht. Ich bastle lediglich an Elektronikgeräten rum. Das Einzige, was bei mir in den Büschen lauert, ist Nachbars Katze.«
Er wollte nach ihrem Schlüssel greifen, doch sie hielt ihn mit einem Blick davon ab. »Du machst einen ja ganz paranoid. Gibt’s irgendeinen Grund für dieses Theater?« Gereizt nestelte sie am Türschloss herum und machte dann auf. Nichts geschah; keine Schüsse, keine Explosion.
»Sorry, reine Gewohnheit.« Sie hatte ein paar Lichter angelassen, und er warf einen interessierten Blick in die Wohnung.
»Willst du noch auf einen Sprung reinkommen? Von
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