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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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seiner Zunge, und so stöhnte er nur, bis der Strom aufhörte zu fließen.
    Mehr ertrug er einfach nicht mehr. Er würde ihnen alles sagen, was immer sie wollten, nur um nicht mehr hier sitzen und auf diese Qualen warten zu müssen. Verzweifelt warf er den Kopf von einer Seite auf die andere.
    »Bitte … bitte … bitte …«
     
    »Gebt ihm ein wenig Zeit, um sich zu beruhigen, und bringt ihn dann hierher«, sagte Saul, während er zusah, wie sich Farouk krümmte. »Ich glaube, es ist vorüber.«

    Sie hatten eben bei Farouk einen Taser angewendet. Dies war eine elektrische Waffe, die Stromstöße von 50 000 Volt produzierte, was zu unwillkürlichen Muskelkrämpfen führte, erklärte Saul. Da die Klammern der Waffe an Farouks Knöcheln befestigt waren und nicht die Haut durchbohren mussten, um den Strom zu leiten, hatte Farouk vermutlich keine Ahnung, woher der Schmerz kam. »Ich habe es selbst ausprobiert, und es schmerzt höllisch«, berichtete Saul. »Aber es funktioniert.«
     
    Exley versuchte, ungerührt zu wirken. Im Grunde sollte sie begeistert sein. Ein hochrangiges Al-Quaida-Mitglied war gebrochen. Sofern er tatsächlich ein hochrangiges Al-Quaida-Mitglied und tatsächlich gebrochen war, und nicht noch einen weiteren Monat im Loch benötigte. Aber sie konnte den Blick nicht von der zitternden Masse auf dem Bildschirm lösen. Ich weiß nicht, ob ich das noch lange durchstehe, dachte sie. Es schmerzt, aber es funktioniert. Und was, wenn es nicht funktionierte? Was kam als Nächstes?
    Ich will doch nur mit meinen Kindern irgendwo in einem hübschen Vorort leben, eine Vierzigstundenwoche haben und ein nettes, kleines Leben führen. Natürlich muss irgendjemand diese Arbeit erledigen, aber warum gerade ich? Vielleicht muss sie ja auch niemand erledigen. Vielleicht sollten sich alle ein wenig entspannen und die Kerle auf der anderen Seite wie Menschen behandeln?
    In dem Augenblick meldete sich wieder die kleine Stimme: Du bist doch kein Dummkopf, Jenny. Willst du, dass dieser Mann eine Atombombe in New York City zündet?
    Hatte Shafer sie hierhergebracht, damit sie diese Lektion lernte? Hielt er Folter für notwendig? War das überhaupt Folter? Farouk würde danach wieder vollkommen in Ordnung sein – zumindest physisch. Auf all das hatte sie keine
Antworten, nur Fragen. Und mehr Fragen ertrug sie einfach nicht mehr.
    Plötzlich wusste sie, dass Wells sterben würde. Er würde bloß ein weiteres Menschenopfer auf dem Altar dieses Krieges sein. Er würde sterben, und sie würde ihn nie wiedersehen. Bei diesem Gedanken verkrampfte sich ihr Magen und sie sehnte sich nur noch danach, in ihrem kleinen Schlafzimmer auf dem Bett zu liegen, zur Decke emporzusehen, mit Wells neben ihr, der sie im Arm hielt. Alles war besser als hier zu sein.
    Shafer berührte sie an der Schulter. »Ist alles in Ordnung, Jennifer?«
    Nein, nichts war in Ordnung.
    »Ja, alles in Ordnung«, gab sie zurück. »Ich habe nur darüber nachgedacht, was er uns wohl zu sagen hat. Gut gemacht, Saul.«

10
    Albany, New York
    Jemand stieß Khadri mit dem Finger an der Schulter an. Als er sich umdrehte, starrte er in das Gesicht einer figurlosen Stadtstreicherin, die zu nahe bei ihm stand. Ihr dünnes braunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, an ihrem Hals hing ein übergroßes Kreuz traurig herab, und ihr stinkender warmer Atem berührte seine Wange.
    »Verzeihung, Sir. Können Sie ein wenig Kleingeld entbehren für etwas zu essen?«
    »Tut mir leid, aber ich habe kein Kleingeld.« Khadri hörte den englischen Akzent in seinen Worten deutlich. Er mochte keine Überraschungen, nicht einmal kleine.
    »Bitte, Mister. Sie sehen nett aus.«
    Rasch fischte Khadri eine Dollarnote aus seiner Geldbörse, nur damit sie verschwand. Als sie den Geldschein sah, leuchteten ihre Augen auf, und im nächsten Moment hatte sie ihm schon den Dollar aus der Hand gezogen.
    »Danke, Sir.« Kopfschüttelnd wandte sich Khadri ab, wobei er ihre geflüsterten Abschiedsworte hörte: »Ich werde für Sie beten.«
    Die Gebete einer Ungläubigen. Während er die Glastür zu dem schmuddeligen Busbahnhof im Zentrum von Albany aufstieß und zum dritten Mal an diesem Tag durch die Halle
ging, dachte er über das Versprechen der Frau nach. Würde sie der Sache helfen oder sie behindern? Seine Sportschuhe – ein Amerikaner würde sie wohl Sneakers nennen – quietschten auf dem schmutzigen Boden, während er langsam durch die Haupthalle des Bahnhofs schlenderte. Zu den

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