John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
unversperrt. Seltsam, aber er hatte jetzt keine Zeit, darüber
nachzudenken. Der Hund bellte mittlerweile schon unablässig, und so wie er klang, war er groß und direkt hinter der Tür. Sie würden sich schnell um ihn kümmern müssen.
Qais erreichte gerade in dem Augenblick die Veranda, als sich Sami endlich vom Zaun befreien konnte. Diese Verzögerung war Wells nur recht. Sami lief den Hügel empor, aber vom Haus weg zum Gästehaus, wie sie geplant hatten.
»Der Hund«, sagte Wells. Qais nickte bloß und hob die Pistole, während Wells den Türknopf drehte und die Tür mit einem Fußtritt aufstieß.
Augenblicklich sprang ein großer massiger Rottweiler mit weit geöffnetem Maul auf Qais zu. Dieser schoss den Hund erst in die Brust und versetzte ihm dann einen Fausthieb. Winselnd sprang der Hund noch einmal hoch, um sein Revier zu verteidigen. Diesmal schoss ihn Qais zwischen die Augen. Das große Geschoss zerschmetterte den Schädel des Rottweiler. Haarbüschel, Gehirn und Blut verteilten sich auf der Veranda. Im nächsten Moment brach der Hund nieder und war still. Qais Augen glitzerten hinter der schwarzen Maske.
Mit einem großen Schritt stiegen die Männer über den Kadaver des Hundes und betraten das Haus. Sofort schloss Wells die Tür. Es dauerte einen Moment, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Als sich Qais zu Wells umdrehte, holte Wells gerade zu einem Schlag mit der schweren Glock aus, die er am Lauf hielt. Qais versuchte noch, die Hand hochzureißen, um den Schlag abzufangen, aber die Glock kam zu schnell. Der Griff der Waffe traf seine Schläfe direkt neben dem Auge, wo der Schädel am weichsten war.
»La«, stieß Qais hervor – »nein« – ehe sein Gesicht schlaff wurde. Doch obwohl er schwankte, ging er nicht zu Boden.
Deshalb versetzte ihm Wells einen weiteren Hieb auf dieselbe Stelle. Diesmal fühlte er, wie die Pistole den Knochen durchbrach. Qais stieß denselben röchelnden Laut aus wie zuvor der Hund. Taumelnd verlor er das Bewusstsein, noch ehe er auf dem Boden aufschlug.
Wells’ Plan war einfach: die Dschihadis trennen. Anschließend Qais ausschalten, möglichst ohne ihn zu töten, damit er noch verhört werden konnte. Dann Sami ausschalten, ehe dieser Wests Leibwächter erreichte. Schließlich den Leibwächter entwaffnen, bevor er zu schießen begann, und West ausfindig machen, um ihm zu erklären, was hier geschehen war. Danach blieb ihm nur noch, Exley anzurufen und ihr alles zu erzählen. Die CIA sollte eine Geschichte konstruieren, die Khadri überzeugte, dass Qais und Sami während des Angriffs gestorben waren, und vielleicht sollte sie sogar Wests Tod vortäuschen. All dies musste geschehen, ehe die Polizei von Atlanta hier auftauchte und ihm den Kopf wegblies.
›Einfach‹ war vielleicht nicht das richtige Wort. Aber dieser Plan war das Beste, was ihm unter den gegebenen Umständen eingefallen war, und bisher hatte er funktioniert. »FBI!«, rief Wells die Treppe empor in der Hoffnung, dass West nicht die Nerven verlor und herunterschoss. Oder schlimmer noch, an einem Herzinfarkt starb.
»FBI! Bitte bleiben Sie ruhig, General …«
Keine Antwort.
»General …«
Im Haus blieb es still. Vielleicht verbarg sich West in seinem Schlafzimmer und rief gerade die Polizei an … allerdings erwartete Wells so etwas nicht von einem Drei-Sterne-General, nicht einmal, wenn er alt genug war, um Sozialhilfe
zu empfangen. Egal, dachte Wells, ich muss weiter. Damit wandte er sich um und lief auf das Gästehaus zu.
Während er den Rasen querte, hörte er aus dem Gästehaus das Rattern von Samis H&K. Ein halbes Dutzend Schüsse, dann eine Pause und noch ein halbes Dutzend Schüsse, die in der feuchten Nacht Georgias widerhallten.
Als er wenige Sekunden später im Gästehaus eintraf, grinste ihn Sami breit an, während er die Maschinenpistole lässig in den Händen hielt. In den benachbarten Häusern leuchteten die ersten Lichter auf. So viel zu seinem Plan.
»Sami …«
»Das glaubst du nie«, sagte Sami auf Arabisch. »Wo ist Qais?«
»Im Haus, er sucht nach West.«
»Sieh dir das an«, sagte Sami zu Wells, während er sich zum Gästehaus umwandte.
Wells folgte seiner Aufforderung.
Sami hatte recht. Das hätte Wells nie geglaubt. Selbst in seinen kühnsten Fantasien hätte er nie so etwas erwartet. Beide waren da. Kein Wunder, dass die Eingangstür unverschlossen war. Kein Wunder, dass es im Haus still geblieben war. Und kein Wunder, dass sich Wests
Weitere Kostenlose Bücher