John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
darauf, dass er anrief?
Nein. Ghazis Frau und Kinder waren 1983, bei der israelischen Invasion im Libanon, umgekommen. Er hasste die Juden und die USA mehr als jeder andere, den Khadri je getroffen hatte. Ghazi würde eher sterben, als seine Al-Quaida-Brüder verraten. Die Ungläubigen mussten Alaa auf andere Weise entdeckt haben. Zum Glück wusste Alaa nicht viel außer der Nummer von Khadris Mobiltelefon, das er so rasch wie möglich zerstören würde, und einer E-mail-Adresse, die er nie wieder verwenden würde.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn hochschrecken. Khadri warf einen raschen Blick zu der Aktentasche hinüber, in der seine Pistole lag. Standen die Ungläubigen schon vor der Tür, um ihn zu holen? »Ja?«
»Zimmerservice.«
Richtig. Sein Frühstück. Als er die Tür öffnete, erwartete er immer noch FBI-Agenten mit gezogener Waffe. Stattdessen stand nur ein Kellner mit einem Tablett vor der Tür. »Stellen Sie es hier ab, bitte.«
»Yessir.«
Heißer Kaffee, Rührei, von dem noch der Dampf aufstieg, ein Glas frisch gepresster Orangensaft. Üblicherweise hätte er sich mit Heißhunger auf sein Frühstück gestürzt, doch an diesem Morgen hatte er den Appetit verloren. Im letzten Monat hatte er drei von zehn Schläfern der Al-Quaida in den USA verloren, einschließlich Qais, seines besten Agenten.
Khadri hatte Qais erklärt, dass die Mission in Atlanta dazu diente, Wells’ Loyalität zu prüfen. Er hatte ihn gewarnt, vorsichtig zu sein und Wells augenblicklich zu erschießen, falls er sich bedroht fühlte. Deshalb verstand Khadri nicht, was geschehen war. Wells hatte ihm danach eine E-Mail geschickt und erklärt, dass die Mission schiefgelaufen sei, weil West nicht dort geschlafen habe, wo sie es erwartet hätten. Er sei nicht im Hauptgebäude gewesen, sondern habe im Gästehaus Sex mit dem Leibwächter gehabt. Der Leibwächter habe Qais und Sami erschossen, ehe Wells ihn und West erschossen habe. So lautete Wells’ Bericht.
Die Geschichte war so bizarr, dass Khadri sie beinahe glaubte. Beinahe. Wie gern wüsste er, ob er Wells vertrauen konnte. Er hatte diese Frage unzählige Male mit sich selbst diskutiert, ohne Sicherheit zu erlangen. Im Grunde glaubte er, dass die Antwort Ja lautete. Nach dem, was er aus Montreal
erfahren hatte, war das aber nicht mehr wichtig, denn er hatte keine Wahl.
Schon wieder eine neue Katastrophe, dachte Khadri. Diesen Monat hatte ihn Allah nicht gesegnet. Dieser verrückte Tarik Dourant. Khadri verstand, warum Tarik die Nerven verloren hatte, und seine Frau verdiente, was sie bekommen hatte. Aber konnte Tarik nicht warten? Khadri hätte sich gern zu einem geeigneten Zeitpunkt um Fatima und ihren ungläubigen Liebhaber gekümmert. Stattdessen war Tarik ausgerastet, so dass jetzt auch seine Arbeit in Gefahr war. Die Polizei von Montreal hatte ihn schon wegen Fatimas Verschwinden vernommen. Bald würden sie kommen, um ihn abzuholen. Deshalb musste Khadri Tariks Krankheitserreger noch vor dessen Verhaftung in die USA schaffen.
Wells war dafür der beste Kandidat. Während die anderen seiner Schläfer an der Grenze Probleme bekommen könnten, würde Wells sie unbehindert passieren. Außerdem war Khadri überzeugt, einen narrensicheren Plan ausgearbeitet zu haben, der selbst dann funktionieren würde, wenn Wells ein amerikanischer Agent war. Ein Plan, der die Welt auf den Kopf stellen und allgemeines Entsetzen auslösen würde.
So schnell wie möglich würde Khadri von Aiman al-Sawahiri dessen Zustimmung für die neue Operation einholen. Sawahiri würde diese Änderung nicht gefallen. Immerhin bereitete die Al-Quaida ihre Anschläge über Jahre hinweg vor. Eine Operation von dieser Wichtigkeit stieß man nicht innerhalb weniger Tage um, noch dazu, wo der neue Plan die Al-Quaida alle ihre Schläfer in den USA kosten würde. Aber Sawahiri würde es schließlich verstehen. Es war besser, ihre Männer starben ruhmvoll, als dass ener nach dem anderen verhaftet wurde. Außerdem musste man zuschlagen, solange man noch einen schweren Schlag austeilen konnte.
Dieses Attentat war zwar nicht so elegant wie der ursprüngliche Plan, aber es würde ebenso viele Menschen töten.
Khadri beugte den Kopf zum Gebet. Er durfte sich nichts vormachen. Die Schlinge zog sich zu. Vermutlich würde er nie die Wallfahrt nach Mekka unternehmen, von der er immer geträumt hatte. Er würde auch nie heiraten und eine Familie gründen. Stattdessen würde er in diesem fremden Land – umgeben von
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