John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
New York, dessen Foto mit den Abbildungen von Alaa im Haus der Familie Assad in Kairo übereinstimmte. Aus diesem Grund hatte sich die JTTF entschlossen, dem Apartment 5L einen frühmorgendlichen Besuch abzustatten.
Eine typische erfolgreiche Untersuchung, dachte Exley. Ein klein wenig Glück und jede Menge harter Arbeit. Und es war schnell gegangen. Wie bei den meisten produktiven Untersuchungen brachte ein Dominostein den nächsten zum Sturz.
Andererseits kam man mit den Untersuchungen in Albany und Atlanta nicht voran. Vor allem die Schießerei in Atlanta erwies sich als schwierig. Die Mörder konnten nicht identifiziert werden, und das Motiv blieb ein Rätsel. Zunächst hatte Exley, wie alle anderen Mitarbeiter der JTTF, angenommen, der Mord stünde in Zusammenhang mit Terrorismus. Das
verborgene Leben des Generals hatte sie aber zum Umdenken gezwungen.
Als federführende Behörde hatte das FBI aufgedeckt, dass General West während seiner Jahre in der Armee zumindest mit fünf Soldaten geschlafen hatte. Als die Beziehung zu einem Sergeant in die Brüche ging, hatte er ihn sogar gezwungen, aus dem Dienst auszuscheiden. Diese fünf Männer hatten ein Alibi, aber es gab gewiss noch andere ehemalige Geliebte. Einer von ihnen hätte West aus Rache töten können. Selbst ein missglückter Einbruch war denkbar, denn die Polizei fand in einem Safe in Wests Schlafzimmer 200 000 Dollar.
Wie die physikalischen Beweise ergaben, hatten nicht West und der Leibwächter die beiden Araber erschossen. Das machte die Sache noch komplizierter. Es hatte demnach einen dritten Schützen gegeben, der die zwei Männer tötete und dann flüchtete. Aber warum? Üblicherweise erschossen sich Terroristen nicht gegenseitig. Vielleicht hatte der dritte Mann die beiden anderen angeheuert, um ihm bei dem Rachemord zu helfen, und sie dann ausgelöscht, damit sie nicht redeten.
Zumindest war dies die Theorie des FBI. Exley, Shafer und die anderen in der CIA, die über Wells Bescheid wussten, hatten ihre eigenen Vermutungen. In einer Sondersitzung zwei Tage nach der Schießerei warnte Duto alle, Stillschweigen über Wells zu wahren. »Er gehört uns«, sagte Duto, »und es gibt keinen Beweis, dass er es getan hat. Es ist also absolut nicht notwendig, dem FBI von ihm zu erzählen.«
Eine weitere Lüge, dachte Exley. Derzeit gehörte Wells zu niemandem, schon gar nicht zur CIA. Aber sie wollte nicht streiten. Wenn Wells nichts mit der Schießerei zu tun hatte, würde durch eine Veröffentlichung seines Namens lediglich
seine Tarnung auffliegen. Und wenn er damit etwas zu tun hatte … Darüber wollte Exley nicht einmal nachdenken.
Inzwischen suchte Dutos Team weiterhin nach Wells. So weit sie wusste, hatten sie keine Spur, obwohl sie nicht sicher war, ob Duto ihr oder Shafer davon erzählen würde. Exley hatte aber auch von sich aus nicht mitgeholfen, ihn zu finden. Immerhin hatte sie Wells’ morgendlichen Anruf mit keinem Wort erwähnt. Zu viel Zeit war seitdem vergangen, sagte sie sich. Wenn sie jetzt darüber sprach, würde sie nur in Schwierigkeiten geraten. Die Wahrheit sah anders aus. Sie wollte nicht, dass Wells in einer Isolationszelle in Diego Garcia landete. Wenn er bereit wäre, würde er sich bei ihnen melden. Oder bei ihr.
Auf diese Weise erfuhr das FBI nie von Wells. Das war nicht das einzige Problem, vor dem die Ermittler von Atlanta standen. Das Pentagon hatte darauf gedrängt, dass die Einzelheiten der Ereignisse in dem Haus der Geheimhaltung unterlagen, mit der Begründung, dass die Veröffentlichung von zu vielen Informationen die staatliche Sicherheit gefährden könnte. Das wahre Motiv des Pentagons – Entsetzen und Verlegenheit über Wests Verhalten – lag klar auf der Hand. Widerspruchslos fügte sich das FBI dieser Entscheidung. So blieb auch der dritte Schütze ein wohl gehütetes Geheimnis. Der Mangel an Informationen hatte zu einem Vakuum geführt, das Blogger mit wilden Theorien füllten, ohne dass jemand der wahren Geschichte zu nahe gekommen wäre. Denn selbst die verrücktesten Verschwörungstheoretiker hatten ihre Grenzen.
Die Untersuchung der Bombe von Albany hatte innerhalb der JTTF bisher ebenfalls nur zu enttäuschenden Erkenntnissen geführt. Von der Bombe waren keine erkennbaren Einzelheiten
übrig geblieben. Die Zeitschaltuhr, der Koffer, die Batterie und die Kabel waren in jedem Baumarkt erhältlich. Der C4-Sprengstoff hatte übliche Armeequalität und war zum richtigen Preis in ganz
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