John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Südamerika und Osteuropa zu kaufen. Die radioaktiven Abfallprodukte in der Bombe stimmten nicht mit den Proben überein, die das Energieministerium aus russischen Nuklearlabors besaß.
Den Ermittlern von Albany war es jedoch gelungen, den Mann zu identifizieren, der bei der Explosion gestorben war. Er hieß Tony DiFerri und war ein arbeitsloser Betrüger mit einem halben Dutzend Haftstrafen wegen Einbruchs und Zigarettenschmuggels. Wie er dazu kam, im Depotraum D-2471 in die Luft gesprengt zu werden, erklärte sich jedoch nicht. Die JTTF vermutete, dass der Mann, der sich Omar Khadri nannte, ihn irgendwie dazu überredet hatte, diesen Koffer zu öffnen. Solange sie Khadri nicht erwischten, würden sie nie wissen, wie es genau abgelaufen war. Von DiFerri würden sie es sicher nicht mehr erfahren.
5:14 Uhr. Nur noch eine Minute. Die Müllwagen auf dem Bildschirm waren an den Bordstein gefahren und hatten die Motoren abgeschaltet. Exley nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. »Glauben Sie, dass es der Richtige ist?«, fragte sie Shafer.
»Ich weiß genauso viel wie Sie«, gab er zurück. Das ist vermutlich eine Lüge, dachte Exley, aber sie widersprach nicht. Shafer war an diesem Morgen besonders reizbar. »Nehmen wir an, es ist der Richtige. Dann haben wir das Problem, dass …«
Shafer brach ab. Auf dem Bildschirm sprangen Männer aus den Müllwagen, die mit kugelsicheren Westen und Kevlar-Helmen mit Kunststoffvisieren ausgestattet waren. Vor
dem Gebäude hielten sie einen Augenblick lang an, ehe sie die Tür aufsprengten und hineinstürmten.
Die Razzia verlief reibungslos. Um 5:22 Uhr kamen vier Agenten mit einem verwirrt aussehenden Mann in T-Shirt und Sporthose aus dem Gebäude, der an Händen und Füßen gefesselt war. Sie schoben ihn in einen nicht gekennzeichneten Van und fuhren mit zwei Polizeiwagen als Eskorte davon.
Im Übertragungszentrum brach verhaltener Jubel aus.
»Glauben Sie nicht, dass es noch ein wenig früh ist, um sich zu freuen?«, flüsterte Shafer Exley zu. »Wir wissen nicht einmal, ob es der richtige Mann ist.«
Vermutlich hatte Shafer recht, aber im Augenblick wollte sie das nicht hören. Nach allem, was in den letzten Monaten schiefgelaufen war, brauchte die JTTF eine Pause. »Können Sie sich nicht einmal fünf Sekunden lang freuen?«, gab sie zurück. »Wenn es der Falsche ist, lassen wir ihn wieder frei. Dann kann er sich einen Anwalt nehmen und uns verklagen. So wie all die anderen.«
»Nehmen wir an, wir haben recht, und es ist der Richtige«, fuhr Shafer fort. »Irgendjemand hat diese Zellen sehr sorgfältig aufgebaut …«
»Khadri«, warf Exley ein.
»Khadri, natürlich, wer auch immer das ist. Irgendjemand. Wells. Einfach irgendjemand.«
Exley legte Shafer die Hand auf die Schulter und drehte ihn so zu sich, dass sie sein Gesicht sehen konnte. »Das glauben Sie doch nicht wirklich?«
Shafer schüttelte den Kopf. »Nein. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto öfter frage ich mich, warum er uns nicht anruft. «
Bei dem Gedanken an Wells fühlte Exley, wie das Blut in ihren Schläfen pochte. »Weil er weiß, dass wir ihn einsperren werden, sobald wir ihn finden«, sagte sie.
»Oder weil er jetzt endgültig zum Maulwurf geworden ist. Vielleicht kann er nach all der Zeit, die er im Untergrund verbracht hat, gar nicht mehr anders leben. Vielleicht will er sich für immer verstecken.«
»Wenn er etwas für uns hätte, hätte er es uns gesagt. Dessen bin ich sicher.«
»Wie können Sie bei John Wells überhaupt sicher sein?«
Eine gute Frage, auf die sie keine Antwort wusste.
»Vergessen wir Wells und kehren wir zu Khadri zurück, oder wie auch immer er heißen mag«, sagte sie stattdessen.
»Wie auch immer er heißen mag, eines steht fest: Er ist wirklich gut. Wir haben kein Foto, keine Biografie, nichts. Und sein Netzwerk ist wasserdicht. Fünf Monate lang haben vierhundert unserer Leute an den Bombenanschlägen von Los Angeles gearbeitet. Das ist ein gewaltiges Ablenkungsmanöver. Und welche Hinweise haben wir? Dasselbe gilt für Albany.«
»Sein Netzwerk ist nicht wasserdicht. Erst heute hat es ein Leck bekommen.«
»Selbst wenn es der richtige Mann ist, war es reines Glück.«
»Wir haben eine Auszeit bekommen. So läuft es, Ellis. Und vielleicht ist dieser Mann der Faden, durch den wir die ganze Sache aufrollen können.«
»Ich wette mit Ihnen um einen Dollar, dass er es nicht ist. Ich wette, dass unser neuer Freund Alaa, seit er hier ist, auf einen
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