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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Hirnmasse. Ghazi stöhnte, aber nur noch schwach. In wenigen Minuten würde er tot sein. Die anderen fünf waren bereits tot. Nur den siebenten Dschihadi konnte Wells nirgendwo entdecken, den saudiarabischen College-Studenten, der vorhin damit geprahlt hatte, dass er Mein Kampf gelesen hatte. Dann hörte er den Jungen, der in dem winzigen Schlafzimmer immer wieder auf Arabisch flehentlich »Bitte!« rief.
    »Komm her«, befahl Wells, der fühlte, wie das Adrenalin nachließ und die Pest zurückkehrte. Mit erhobenen Händen tauchte der Saudi in der Tür auf.

    »Leg dich auf den Boden.« Dabei deutete Wells auf die Ecke. »Die Hände auf den Hinterkopf.«
    »Bitte«, stieß der Saudi weinend hervor.
    »Auf den Boden.«
    Als der Saudi mit über dem Kopf verschränkten Armen auf dem Bauch lag, zog sich Wells hoch und ging zu ihm hinüber. Sein Abzugfinger schmerzte. Auch dieser Mann verdiente es zu sterben. Er hob die Makarow und zielte.
    Tu es nicht, dachte er. Bewahre dir diesen letzten Rest Selbstachtung. Er hatte schon mehrmals kaltblütig getötet, aber noch nie auf diese Weise. Noch nie jemanden, der sich bereits ergeben hatte. Erschöpft ließ er die Waffe sinken und zog sich vom Abgrund zurück.
    Da hörte er, wie Exley im Gang leise stöhnte. Auch in den Nachbarwohnungen waren bereits Stimmen zu hören. Es war Zeit zu verschwinden. Rasch griff er nach den Handschellen und kettete den Saudi an den Stahlradiator in der Ecke des Raumes.
     
    Als Wells über die Leichen in der Tür in den Gang hinausstieg, fühlte er sich, als hätte er zum zweiten Mal den Fluss der Unterwelt überquert. Exley lag blass und still mit geschlossenen Augen im Gang. Ihr linkes Hosenbein war dunkel von ihrem Blut. Wells riss einen Streifen von seinem Hemd ab und legte ihr einen provisorischen Druckverband an, um die Blutung zu stoppen. Zitternd öffnete sie die Augen.
    »Jennifer. Jenny.« Als sie leise stöhnte, beugte er sich zu ihr und umarmte sie. Sie fühlte sich kalt an. »Du kommst wieder in Ordnung.« Er konnte nur hoffen, dass er recht behielt. Als ihn ein Hustenanfall schüttelte, wandte er sich ab. Vermutlich war auch sie schon infiziert durch ihre Küsse in Kenilworth. »Wir haben es geschafft, Jenny.«

    »Niemand außer dir hat mich je Jenny genannt«, flüsterte sie. »Warum?«
    »Weil sie nicht wissen, dass du es magst.« Er strich ihr über das Haar. »Ich muss jetzt gehen.«
    »Khadri?«
    »Versprich mir, dass du durchhältst.«
    Sie nickte schwach.
    »Versprich es«, drängte er.
    »Ich verspreche es.« Als er sie auf die Wange küsste, schloss sie die Augen.
     
    Wells prüfte das Magazin von Ghazis Pistole, um zu sehen, wie viele Patronen übrig waren. Sechs. Das sollte reichen. Immerhin musste er nur noch einen Mann töten. Nachdem er das Magazin wieder in die Pistole geschoben hatte, steckte er die Waffe in seine Jacke.
    Wenn er jetzt die Nachbarn über die Pest informierte, würden sie in Panik geraten. Ihnen würde noch genug Zeit bleiben, um Antibiotika zu erhalten, auch wenn er erst von seinem Ranger aus die Polizei anrief. In der Ferne hörte er bereits Sirenen durch die Wände des Gebäudes. So schnell es ihm seine verseuchten Lungen erlaubten, rannte er die Treppe hinunter.

18
    Die Straße war leer, und am Himmel brach eben erst die Morgendämmerung an. Die Sirenen waren noch mindestens siebenhundert Meter entfernt. Zu dieser frühen Stunde war selbst das New York Police Department mit seinen fünfunddreißigtausend Cops nur dünn besetzt. Als Wells zu seinem Pick-up lief, fröstelte er in der kalten Nachtluft.
    In seinem Wagen griff er mit zitternder Hand nach einem sauberen T-Shirt und seiner Sanitätsausrüstung. Sobald er das T-Shirt übergezogen hatte, klopfte er vier, fünf, sechs große weiße Tabletten aus der Cipro-Flasche in die Hand und schluckte sie trocken hinunter, wobei er sich hoch aufrichtete. Cipro war ein starkes Breitbandantibiotium. Ob es auch gegen die Pest half, wusste er nicht. Aber er hoffte, sich eben ein paar Stunden Zeit erkauft zu haben. Trotzdem musste er so schnell wie möglich ein Krankenhaus aufsuchen.
    Wells fiel die Spielshow Der Preis ist heiß ein, die er als Kind oft gesehen hatte. Damals hatte Bob Barker die Kandidaten aufgefordert, den Preis des Gewinns zu schätzen, ohne dabei zu hochzugehen. »Wer am nächsten liegt, ohne drüber zu sein«, hatte Barker immer gesagt. Ein ähnliches Spiel spielte Wells jetzt mit der Pest. So nahe zu kommen, wie es möglich war, ohne

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