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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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kein Blut. In wenigen Stunden würde er den Punkt erreichen, an dem es kein Zurück gab. Wenn bis dahin weder Exley noch die Polizei auftauchte, würde er sein Messer nehmen und so viele Männer in diesem Raum töten, wie er nur konnte. Durch den Tumult würden die Nachbarn sicher die Cops rufen, und wenn er bis zu ihrem Eintreffen überlebte, würde er ihnen sagen, was bevorstand.
    Exley. Hoffentlich war sie klüger als er und vorsichtig genug, um die Profis zu rufen. Für seine jetzige Lage konnte er nicht einmal einer höheren Macht die Schuld geben. Dafür war allein seine halsstarrige Überheblichkeit verantwortlich. Hochmut kommt vor dem Fall. Wenn ihn Duto im April nicht so heftig zurückgewiesen hätte. Wenn er Khadri gleich in Atlanta getötet hätte. Wenn …
    All diese Spekulationen waren jetzt einerlei. Er starb in diesem schmutzigen Apartment, und die Bakterien in seinem Blut bewiesen, wie groß das Missverständnis zwischen ihm und der CIA und zwischen ihnen und ihrem gemeinsamen Feind war. Ihm war es nie gelungen, Khadris Vertrauen zu erwerben, und es würde ihm auch nie gelingen. Mit seiner letzten Frage hatte Khadri gezeigt, dass er vermutete – es zumindest für möglich hielt –, dass Wells immer noch für
die CIA arbeitete. Er hatte Wells einerseits als Kurier und andererseits als ironische Geste verwendet. Als letzten Messerstich. Du darfst zwar für uns sterben, aber du wirst nie einer von uns sein. Wells hatte Ironie immer schon gehasst, diesen Lieblingsdrink aller Möchtegernintellektuellen. Jetzt hasste er sie noch mehr.
    Egal. Er hatte immer noch sein Messer. Bei den Marines hieß es: Bring nie ein Messer zu einer Schießerei mit. Aber es würde schon glattgehen. Immerhin war er jetzt, wo seine Hände frei waren, schneller als diese Amateure. Wie erwartet, hatte sich Ghazi nicht die Mühe gemacht, ihm die Handschellen wieder anzulegen, nachdem Khadri gegangen war. Außerdem war Exley draußen. Alles hängt davon ab, auf welcher Seite der Waffe du stehst. Sein Vater und seine Mutter lagen in Hamilton in ihren Gräbern. Auch wenn er sie vermisste, war er noch nicht bereit, sich jetzt schon ihnen anzuschließen. Wells rieb sich die Gelenke. Nur mit Mühe widerstand er der Versuchung, nach seinem Stilett zu greifen. Er sah auf die Uhr. Beinahe fünf, die Nacht war schon fast vorbei. Er würde Exley bis Sonnenaufgang Zeit geben, dann würde er ein paar ganz und gar nicht ironische Messerstiche austeilen.
     
    Sobald Exley das Mietshaus betreten hatte, sah sie sich in dem dämmrigen Korridor des Erdgeschosses um. Die Handtasche trug sie offen über dem Arm, so dass sie eng am Körper lag und sie rasch nach der Pistole darin greifen konnte. Allerdings wäre sie immer noch langsamer als jemand mit einem Holster. Als wäre es in einer anderen Welt gewesen, rief sie sich in Erinnerung, was ihr Wells in Kenilworth gesagt hatte: Schieß sofort. Du wirst es wissen.
    Sobald sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten,
sah sie eine Kakerlake, die den Gang entlanglief. Indem sie die Treppe vorerst nicht beachtete, folgte sie ihr langsam. Es fiel ihr schwer, sich nicht umzudrehen, um nachzusehen, ob ihr jemand lautlos folgte. Immerhin war sie die Jägerin und nicht die Gejagte.
    Am Ende des Ganges hörte sie aus Apartment 1F leise Gospelmusik, die unter der Tür durchdrang. Nach kurzem Zögern klopfte sie leise an. Schwere Schritte näherten sich der Tür und hielten dann an. Exley klopfte noch einmal.
    »Howard?«, flüsterte eine alte Frau hinter der Tür. »Bist du das?«
    »Nein, Ma’am«, antwortete Exley, so ruhig sie konnte.
    »Howard?«
    »Falsche Adresse, Ma’am. Tut mir leid, Sie gestört zu haben. «
    Die Tür ging einen Spaltbreit auf, soweit es die Sicherheitskette erlaubte. Eine alte Frau in Hauskleid spähte mit von grauem Star getrübten Augen hinter dicken Plastikgläsern heraus. »Wo ist Howard?«
    »Ma’am, bitte, gehen Sie wieder schlafen«, flüsterte Exley, während sie inständig hoffte, dass die Frau nicht zu schreien begann.
    »Warum haben Sie an meiner Tür geklopft?«
    »Ich suche jemanden.«
    »Howard?«
    »Nein, Ma’am. Jemand anderen. Einen Mann.«
    »Willkommen im Club.« Die Frau grinste mit zahnlosem Mund.
    »Einen Mann aus diesem Gebäude. Von oben«, sagte Exley, wobei sie hinauf deutete. »Vielleicht haben Sie gehört, wie er nach Hause gekommen ist. Vor nicht allzu langer Zeit.«
    Das Grinsen wurde von einem mürrischen Gesichtsausdruck
abgelöst. »Vorhin

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