John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Kapitol und das Weiße Haus als Ziel gewählt statt des Pentagons. Aber der Scheich hatte auf diesem direkt gegen das amerikanische Militär gerichteten Anschlag bestanden. Leider war das Pentagon zu groß, sodass es selbst durch einen Flugzeugabsturz nicht ernsthaft Schaden nahm. Bei der Zerstörung des Kapitols hätten Hunderte Kongressabgeordnete und Senatoren den Tod gefunden. Das hätte die amerikanische Regierung ins Chaos gestürzt.
Dessen ungeachtet waren die Anschläge ein strategischer Triumph. Als Folge davon hatten die USA ihre christlichen Kreuzritter in zwei islamische Länder entsandt. Nun konnte die ganze Welt den Kampf zwischen dem Dar al-Islam und dem Dar al-Harb sehen, zwischen dem Ort des Friedens und dem Ort des Krieges. Allmählich verblasste jedoch die weltweite Erinnerung an den 11. September, und die Al-Quaida musste die Ungläubigen erneut auf ihre Macht aufmerksam machen. Khadri wünschte nichts sehnlicher, als diesem reichen, fetten Land ein Dutzend Mal ins Gesicht zu schlagen, bis ihm das Blut aus Augen, Nase und Mund floss. Und dann würde er ihm noch einhundert weitere Hiebe versetzen, bis die USA ihre Armeen zurückzögen und um Gnade bettelten. Schließlich würde er den Amerikanern genauso viel Gnade erweisen, wie sie den Japanern gewährten, als sie Hiroshima
dem Erdboden gleichmachten, und den Vietnamesen, als sie deren Urwälder niederbrannten. Nicht mehr und nicht weniger.
Wir müssen siegen, dachte Khadri. Und wir werden siegen, denn Allah ist mit uns. Als er den letzten Schluck Kaffee trank, fühlte er sich erfrischt und gestärkt. Der Gedanke an einen Anschlag gegen die Amerikaner erfüllte ihn immer mit freudiger Erregung.
Exley saß an ihrem Schreibtisch und durchforstete Wells’ Akte nach neuen Einzelheiten, obwohl sie wusste, dass sie keine finden würde. Schließlich rollte sie den Kopf, um die Spannungen zu lösen, die sich seit Heather Murrays gestrigem Anruf in ihr aufgebaut hatten. Der Anruf hatte wie ein Blitz in die CIA eingeschlagen – um genau zu sein, hatte er nur jene Handvoll Beamte aufgeschreckt, für die der Name John Wells noch eine Bedeutung hatte. Vinny Duto, der Leiter der Operations-Abteilung hatte augenblicklich mehrere Beamte für interne Sicherheit entsandt, um Heather und Kenny zu vernehmen. Aber sie hatten aus keinem der beiden viel herausbekommen.
Wieder betrachtete Exley den Lügendetektortest und den psychiatrischen Bericht, die vor zehn Jahren anlässlich von Wells’ Eintritt in die CIA gemacht worden waren. Er sagte, dass er rauchte, wenn auch nicht allzu viel. Dass er gelegentlich Alkohol trank. Dass er noch nie an einer sexuell übertragbaren Krankheit gelitten hätte. Dass er noch nie Sex mit einem Mann gehabt hätte, obwohl er in seiner College-Zeit an einem Dreiecksverhältnis beteiligt gewesen war. Trotz der beharrlichen Nachfrage des Prüfers hatte sich Wells geweigert, Details zu nennen. Gut gemacht, dachte Exley. Derartige Dinge verbreiteten sich in Langley schnell, unabhängig
von der Vereinbarung, alle Daten vertraulich zu behandeln.
Was stand noch in seinem Lügendetektortest? Abgesehen von einem Vorfall mit Marihuana und den beiden Strafzetteln wegen Geschwindigkeitsübertretungen, hatte Wells nie das Gesetz gebrochen. Meinungsverschiedenheiten betrachtete er als amerikanisches Grundrecht. Er würde lieber den Dienst quittieren, als einen Befehl auszuführen, den er für unmoralisch hielt. Er hatte noch nie einen Psychiater aufgesucht, litt nur selten an Albträumen, glaubte an Gott, würde sich aber nicht als Christ bezeichnen. Während seiner Zeit im Footballteam von Dartmouth hatte er dem Quarterback von Yale das Bein gebrochen. Er hatte deshalb jedoch kein schlechtes Gewissen, denn es war eine saubere Aktion gewesen, und Gewalt war Teil des Spiels. Nur auf die Frage, ob er seine Frau liebe, hatte Wells ungewöhnlich geantwortet. Ja, sicher, hatte er gesagt. Der Lügendetektor hatte dem nicht zugestimmt.
Der Psychologe der Agency hatte die wichtigsten Punkte seiner Bewertung zusammengefasst: Wells war in hohem Maß risikobereit. Er war selbstkritisch, ohne übertrieben emotional zu sein. Sehr selbstbewusst, keine pädophilen oder psychopatischen Neigungen. Allerdings schien er zu großer Gewalt fähig. All diese Eigenschaften machten ihn zu einem ausgezeichneten Kandidaten für die Special Operations Group, den paramilitärischen Arm der CIA, dem die unsichtbarsten Agenten angehörten.
Diese Angaben waren Exley
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