John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Schmalspurjunkie. «
»Waren Sie nervös?«
»Ich war viel zu dumm, um nervös zu sein«, antwortete Wells lachend.
»In Kabul wusste man also, dass Sie kamen.«
»Hatten wir das nicht schon?«
»Sie standen bereits vor Ihrer ersten Mission mit der Al-Quaida in Kontakt.«
»Vor meiner ersten Reise hatte ich nicht einmal von Osama Bin Laden gehört.«
Die Antwort schien Walter zufriedenzustellen. Nun ging er mit Wells die Einzelheiten seiner ersten Reise nach Kabul und Kandahar durch. Wells antwortete mechanisch, wobei er im Geist Afghanistan vor sich sah: den schweren süßlichen Duft einer am Spieß gebratenen Ziege, das klägliche Stöhnen eines erschöpften Pferdes, das zu Tode gepeitscht wurde, weil es den Wagen nicht mehr ziehen konnte. Die Afghanen, die gleichzeitig so gastfreundlich und so grausam sein konnten.
Walters Fingerschnippen riss Wells aus seinen Tagträumen. »Konzentrieren Sie sich!«
»Dürfte ich etwas Wasser haben?« Wells widerstrebte es, darum zu bitten, aber er war entsetzlich durstig. Als Walter eine weitere Flasche aus seiner Tasche zog, trank Wells gierig daraus. Zum ersten Mal fühlte er eine Verbundenheit mit diesem Mann. Sie waren beide Profis, die ihren Job erledigten. Selbstverständlich war es Walters Absicht, dass er sich so fühlte.
»Was haben Sie während dieses ersten Aufenthalts in Kabul gemacht?«
»Ich habe versucht, Informanten zu werben. Ohne jeden Erfolg.«
»Was ist schiefgelaufen?«
»Wo soll ich beginnen? Ich sprach kaum Paschtun. Im Rahmen der amerikanischen Gesetze durfte ich niemanden auf schmutzige Weise rekrutieren. Können Sie sich diesen Geniestreich vorstellen, Walter? Ich war gerade erst siebenundzwanzig Jahre alt und sollte Kerle herumkriegen, die einander seit tausend Jahren belogen.«
»Sie haben nicht einen einzigen Agenten angeworben.«
»Ich habe es nicht einmal versucht. Damit wäre meine Tarnung aufgeflogen, und sie hätten mich getötet.«
Walter ging auf Wells zu. »Wann wurden Sie über den 11. September informiert?«
Der abrupte Wechsel nach einer Serie angenehmer Fragen war ein alter, aber sehr effektiver Trick. Wells’ Puls stieg. »Wie alle anderen habe ich im Nachhinein davon erfahren.«
»Warum haben Sie die CIA nicht vorher gewarnt?«
Ein weiterer alter Trick bestand darin, so zu tun, als hätte man die negative Antwort des Befragten nicht gehört. »Ich habe Ihnen gesagt, dass ich nicht vorab davon wusste.«
»Sie haben also versagt.«
»Ich habe versagt.«
»Welche Rolle haben Sie bei den Anschlägen von Los Angeles gespielt?«
»Ich war nicht daran beteiligt.«
Walter trat einen Schritt zurück und sah auf den Monitor. »Sie lügen.«
»Nein.«
»Die Box sagt, dass Sie lügen.«
»Dann funktioniert sie nicht richtig.«
»Wann sind Sie in die USA eingereist?«
»Vor einer Woche.«
»Sie lügen schon wieder.«
»Nein«, sagte Wells, während er ablehnend den Kopf schüttelte.
»Wie viele Menschen haben Sie getötet?«
»Ungefähr fünfzehn.«
»Ungefähr?«, wiederholte Walter spöttisch.
»Ich führe nicht Buch.«
»Amerikaner?«
»Nein.«
»Wie viele Amerikaner, John?«
»Keine. Nie.«
Die Fragen wurden nun in schnellerer Abfolge gestellt. »Aber Sie wollen Amerikaner töten.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ist das nicht das Ziel der Al-Quaida? Und Sie sind doch ein Agent der Al-Quaida.«
»Ich habe mich auf Anordnung der Agency in die Al-Quaida eingeschleust.«
»Hat Ihnen die Agency den Befehl erteilt, zu konvertieren?«
»Nein.«
Walter beugte sich vor, sodass sein Gesicht dicht vor Wells war. »Besitzt die Al-Quaida Massenvernichtungswaffen?«
»Ich glaube nicht.«
»Sie glauben nicht?«, fragte Walter in einem Tonfall, als wäre Wells ein aufsässiger, aber nicht allzu kluger fünfjähriger Junge. Wells wäre am liebsten aus dem Stuhl aufgesprungen und hätte Walter das Genick gebrochen.
Stattdessen antwortete er mit ruhiger Stimme: »Derartige Waffen in die Finger zu bekommen hatte für sie oberste Priorität. Aber ich habe nie einen Beweis dafür gesehen, dass es gelungen wäre.«
»Sie haben sich all diese Jahre innerhalb der Al-Quaida bewegt und wissen nicht, ob sie Massenvernichtungswaffen besitzt? Dann sind Sie aber kein guter Agent.«
»Damit haben Sie vermutlich recht.«
»Vielleicht haben Sie aber auch die Seiten gewechselt.«
Augenblicklich sprang Wells auf und riss die Elektroden und die Blutdruckbandage ab. Beinahe gleichzeitig öffnete sich
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