John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
fahren.
Wells streckte dem Mann zwanzig Dollar entgegen. »Davon gibt es noch mehr.«
Der Mann betrachtete ihn misstrauisch. »Sind Sie auf der Suche nach Stoff?«
»Nein.«
»Denn dabei werde ich Ihnen nicht helfen.«
»Keine Drogen, ich schwöre es.«
»Nutten?«
»Keine Nutten.«
Nachdem dies geklärt war, fuhren sie los.
»Wie heißen Sie?«, fragte Wells.
»Walter.«
Unwillkürlich musste Wells lachen. Es klang wie ein kurzes, scharfes Bellen.
»Was ist so lustig an meinem Namen?«
»Nichts. Ich habe nur vor kurzem einen anderen Walter getroffen, der mir auch nicht vertraut hat.«
»Sie sind seltsam, wissen Sie das?«
Im Radio wurde der Schlagmann der Orioles ausgetauscht.
»Sie mögen die Orioles lieber als die Nationals?«, erkundigte sich Wells.
»Ich bin zu lange schon ein Fan dieses Teams, um das noch zu ändern. Und Sie?«
»Ich bin ein Fan der Red Sox. Aber ich liebe zusätzliche Innings in jedem Spiel.«
»Immer noch besser als die Yankees.«
Sobald sie am RFK-Stadion vorüber waren, fuhren sie auf die Überführung über die Anacostia und 295. auf, einen viel befahrenen Highway, der parallel zum Fluss verlief. Die beiden Fords folgten. Erfreut stellte Wells fest, dass auf der East Cap in beiden Richtungen starker Freitagabendverkehr herrschte.
»Wissen Sie, dass uns jemand folgt?«
Wells gab Walter weitere zwanzig Dollar. »Es sind zwei. Freunde von mir. Wir spielen ein Spiel.«
»Ein Spiel«, wiederholte Walter mit einem Seitenblick auf Wells.
»Es heißt, verliere den Mann.«
»Ich habe keine Lust auf so eine Scheiße.«
»Wie wäre es mit weiteren einhundert Dollar?«
Walter schlug die Jacke auf und zeigte Wells einen ramponierten Revolver. »Allmählich gehen Sie mir auf den Geist.«
Wells schüttelte den Kopf. »Wie wäre es mit zweihundert? Das ist alles, was ich habe.«
Sie verließen die Überführung und fuhren den Hügel hinauf. »O Mann … erst steigen Sie in mein Auto …«, begann Walter kopfschüttelnd, während er Wells eindringlich musterte. »Sie sind doch kein Bulle?«
»Wenn Sie wollen, steige ich hier aus.«
Walter spitzte die Lippen. Wie es aussah, warf er im Geist
eine Münze. Schließlich nickte er. »Hundert sind in Ordnung. Was kommt als Nächstes?«
»Wie gut kennen Sie sich in East Cap aus?«
»Besser als Sie, vermute ich. Ich bin hier aufgewachsen.«
Sie fuhren auf die Ampel an der Kreuzung von Benning und East Capitol zu. Jenseits davon führte ein weiterer Hügel zu den schlimmsten Wohngegenden der Stadt. Wie ein böser Traum hingen rechts von ihnen die Bäume eines verwachsenen Parks, den man wohl besser als Stadtwald bezeichnete, über die Fahrbahn. Hier gab es sicher noch Drachen.
»Okay. Bleiben Sie auf der East Cap, und fahren Sie schnell durch die Ampel. Sobald wir auf dem Hügel sind, suchen Sie nach einer Lücke im Verkehr, die die anderen nicht nützen können. Sie müssen aber sicher sein! Dann schwenken Sie nach links durch den Verkehr. Sobald wir außer Sicht sind, rolle ich mich aus dem Auto. Das sollte nur etwa drei Sekunden dauern. Wenn ich draußen bin, schließen Sie die Tür und fahren weiter. Wenn sie Sie einholen, lassen Sie sich ruhig an den Rand winken, aber machen Sie es Ihnen nicht zu leicht.«
»Sie wollen sich aus dem Auto rollen lassen?«
»Mir wird nichts passieren.«
Während die Fords einige Autos hinter ihnen angehalten hatten, warteten sie an der Ampel. Nun griff Wells nach dem Schraubenzieher, setzte ihn unter dem Knöchelband an und verdrehte es, bis das Plastik nachgab. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
»Was ist das?«, erkundigte sich Walter.
»Es gibt da dieses Lied aus den 90ern«, sagte Wells mehr zu sich als zu Walter. »›Time is All the Luck You Need‹.«
Walter schüttelte verärgert den Kopf. »Geben Sie mir den Hunderter, Mann.«
Wells gab ihm das Geld. Sobald die Ampel auf Grün sprang, stieg Walter kräftig auf das Gaspedal.
Mit dem Papiersack in der Hand rollte sich Wells aus dem Taxi, landete weich auf der Schulter, stieß sich von den Knien hoch und huschte augenblicklich hinter einen ramponierten schwarzen Jeep Cherokee. Das Taxi verschwand in der Ferne, und wie Wells sah, hatte Walter bereits die Tür geschlossen. Jetzt rasten auch die beiden Fords mit Blinklicht vorüber, aber ohne Sirene. Dann verschwanden auch sie.
Der Cherokee würde genügen. Keine Alarmanlage. Als Wells den Hammer gegen das Beifahrerfenster schlug, zerbrach es mit zufriedenem Knirschen. Nachdem er
Weitere Kostenlose Bücher