John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Detroit einen großen Schritt näher kommen. Er hatte behauptet, dass sich heute Nacht mehrere »488er« – der militärische Ausdruck für wertvolle Zielpersonen – in einem Friseurladen in Ghazalia treffen würden, einem Vorort von Bagdad, der zum Zentrum des Widerstandes geworden war. Saleh kannte keine Namen, schwor jedoch, dass es
sich nicht um die üblichen Kriminellen und Straßenkämpfer handelte. Einer sei ein Ausländer, den sie »Doktor« nannten, und der eben erst im Irak eingetroffen war.
Wenn der militärische Nachrichtendienst die Geschichte bestätigt hätte, wäre die Razzia an die Task Force 121 abgetreten worden, die Spezialtruppe der CIA, die für hochrangige Ziele im Irak und Afghanistan zuständig war. Aber der »Doktor« schien in keiner Datenbank auf. Und da die Spezialtruppe nicht bereit war, jemandem nachzujagen, der weniger wichtig war als sie selbst, lehnte sie den Job ab. Jackson hatte nichts dagegen. Die Mad Dogs besaßen fünf Panzer, sechs Bradley-Schützenpanzer und vier gepanzerte Humvees. Das war genug Feuerkraft, um eine Kleinstadt wegzufegen. Es sollte kein Problem sein, ein paar Widerstandskämpfer zu ergreifen, nur hoffte er, dass sich die Sache auch lohnte. Bisher hatte Saleh immer recht gehabt, aber es gab für alles ein erstes Mal.
Jackson hätte sich keine Sorgen machen müssen. Der »Doktor« hieß in Wirklichkeit Farouk Khan und war jener Mann, den John Wells fünf Monate zuvor in dem Apartment in Peschawar getroffen hatte. Farouk trug seinen Titel verdientermaßen. Allerdings war er kein Arzt, sondern Physiker und Cousin dritten Grades von A. Q. Khan, der das pakistanische Atomwaffenentwicklungsprogramm leitete. Auch Farouk hatte für das Programm gearbeitet, bis er an einem Freitagsgebet in einer Moschee in Islamabad teilnahm, deren Imam den Sturz der pakistanischen Regierung befürwortete.
Ein Jahr später fand Farouk den Weg zu Osama Bin Ladens Unterschlupf in der Nordwestprovinz. Dort bot ihm der Scheich den klingenden Titel eines »Direktors der Nuklearprojekte« an und beauftragte Farouk damit, aus dem pakistanischen
Arsenal eine Bombe zu entwenden. Selbst mit seinen alten Beziehungen war diese Aufgabe für Farouk außerordentlich schwierig. Denn die pakistanischen Generäle gingen davon aus, dass die USA mit einer Bombe auf ihre Villen in Islamabad antworten würden, sollte die Al-Quaida je eine pakistanische Atombombe in New York zünden. Ein Angriff auf Delhi wäre noch gefährlicher, da ein solcher unausweichlich einen echten Atomkrieg auslösen würde, der Indien und Pakistan dem Erdboden gleich machen würde. Farouk musste sehr vorsichtig vorgehen.
Schließlich fand er drei Techniker niedrigen Ranges, deren Sympathie für die Al-Quaida den Sicherheitschecks der Regierung entgangen war. Obwohl sie Farouk nicht mit einer funktionsfähigen Bombe versorgen konnten, lieferten sie ihm Geräte, die ihm überaus hilfreich waren. Dann entdeckte er Dmitri Georgoff, einen arbeitslosen russischen Atomwissenschaftler, der auf der Suche nach harter Währung war. Das erste Treffen der beiden Männer verlief überaus vorsichtig. Farouk befürchtete einen Hinterhalt der CIA, während Dmitri es vorzog, dass sein Kopf auch weiterhin mit seinem Körper verbunden blieb. Schließlich endete das Treffen für beide Seiten zufriedenstellend. Nach einigen Verhandlungen stimmte Dmitri zu, Farouk zwei mit nützlichem Material gefüllte Stahlboxen zu übergeben, die mit einer Bleischutzschicht ausgekleidet waren. Preis: 675 000 Dollar. Dieser Betrag stellte eine gewaltige Investition für Farouk dar, sodass Scheich Bin Laden persönlich das Geschäft bewilligen musste.
Damit besaß die Al-Quaida noch immer keine funktionsfähige Atombombe, die eine Stadt in Schutt und Asche legen könnte. Aber man benötigte keine Atombombe, um den Feind in Panik zu versetzen. Eine konventionelle Bombe, die
mit radioaktivem Material durchsetzt war – eine so genannte schmutzige Bombe – konnte den Ungläubigen ebenso einen verheerenden Schlag versetzen. Die Menschen fürchteten Radioaktivität. Sie konnten sie weder sehen, noch riechen, noch fühlen, und doch war sie auch noch Jahre nach ihrer Detonation tödlich. Einige radioaktive Isotope waren imstande, ein Gebiet für mehrere Jahrzehnte zu verseuchen und damit wertlos zu machen, obwohl die Gebäude stehen blieben. Am richtigen Ort – wie etwa mitten in Manhattan – würde eine schmutzige Bombe einen Schaden in Höhe von mehreren Tausend
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