John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
amerikanischen Ehrenmedaille.
Wenn es nach Jackson gegangen wäre, hätte J.C. die Ehrenmedaille erhalten. Der Junge war der beste Soldat, den er je gesehen hatte. Bataillonsführer Takahashi erklärte jedoch, dass einige hochrangige Offiziere Stillschweigen über die Razzia wahren wollten. Eine Ehrenmedaille hätte in dem Fall zu viel Aufmerksamkeit aufgewirbelt. Das überraschte Jackson nicht, wenn er bedachte, wie schnell die Männer der Spezialeinheit 121 aufgetaucht waren, nachdem er durchgegeben hatte, dass seine Kompanie einen Mann gefasst hatte, der einen Geigerzähler und einen pakistanischen Pass bei sich trug. Während sie den Mann einfach in einen ihrer Humvees steckten, hatten sie Jackson aufgetragen, die Leichen der Widerstandskämpfer und deren Autos zur Untersuchung nach Camp Graphite zu bringen. Als wäre er ein dummer Botenjunge.
»Wir werden schon dafür sorgen, dass Ihre Leistung bei diesem Einsatz Anerkennung findet«, hatte ein Offizier der Spezialeinheit gesagt, der sich selbst Colonel nannte, obwohl seine Uniform keinerlei Rangabzeichen aufwies. Als ob es Jackson um Anerkennung ginge, während Fahd und Voss nicht zählten. Jackson hasste es, einen seiner Männer zu verlieren. Oder besser gesagt zwei, je nachdem, wie man darüber dachte.
Als er sich jedoch am Morgen nach der Razzia auf seine Pritsche legte, während die Sonne bereits den Tag erhitzte, musste sich Jackson eingestehen, dass er stolz war auf seine Kompanie. Während die Männer der Spezialeinheit 121 erfolglos umherrannten, hatten seine Mad Dogs einen Treffer gelandet. Er würde schon dafür sorgen, dass seine Männer auch verstanden, was sie geleistet hatten, auch wenn sie nicht darüber sprechen durften. Immerhin waren sie für derartige Missionen an diesen grauenvollen Ort gekommen. Sie hatten der Al-Quaida einen verheerenden Schlag versetzt und die Terroristen zum Kampf herausgefordert, anstatt umgekehrt.
Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen starrte Jackson immer noch aufgewühlt zur Decke empor. Er wusste, dass er längst schlafen sollte, denn er würde morgen einigen Ein-Stern-Generälen über die Razzia berichten müssen. Nicht schlecht für einen neunundzwanzigjährigen Captain. Ich hoffe, die Leute vom Nachrichtendienst wissen, was sie mit dem Kerl tun sollen, den wir geschnappt haben, dachte Jackson, bevor er schließlich einschlief. Und ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist.
7
Atlanta, Georgia
Braunhäutige Männer mit billigen Netzkappen und hungrigen Augen standen in Gruppen auf dem weitläufigen Parkplatz. Obwohl die Sonne erst vor einer Stunde aufgegangen war, war die Luft bereits heiß und stickig, und die Männer bewegten sich langsam, um ihre Energie für den langen Tag zu sparen, der vor ihnen lag. Ihre offensichtliche Trägheit war jedoch trügerisch. Denn sobald ein Pick-up auf dem Parkplatz auftauchte, umringten sie ihn in Sekunden.
»Immer mit der Ruhe«, rief der rotgesichtige Mann in dem Kurzarmhemd, der sich aus dem Wagen lehnte. Murrend traten die Männer einen Schritt zurück. Dann hielt der Fahrer des Pick-ups vier Finger hoch: »Vier Männer. Den ganzen Tag«, sagte er. »Acht Dollar für jeden. Spricht hier jemand Englisch?«
»Ich«, rief John Wells über die Menge hinweg.
»Du setzt dich vorn hin«, befahl er und deutete dann auf drei andere Arbeiter. »Und du, du und du, ihr steigt hinten auf.«
Während die übrigen Männer wieder davontrotteten, stieg Wells in den Pick-up, einen roten Chevrolet mit Kennzeichen für landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge und dem in Weiß aufgemalten Slogan: »Lee’s Landschaftsgestaltung:
verschönert Atlanta seit 1965«. »Wie heißt du?«, erkundigte sich der Mann.
»Jesse.«
»Ich bin Dale. Sprichst du Spanisch?«
»Ein wenig«, gab Wells zurück. »Poquito.«
»Wenn du es schaffst, dass diese Kerle fleißig arbeiten, bekommst du zwanzig zusätzlich.«
»Sí, señor.«
»Sí, señor?«, wiederholte Dale lachend. »Das ist witzig.«
Von dem Parkplatz bog der Pick-up auf den Buford Highway ein, eine viel befahrene sechsspurige Straße, die von Atlanta aus in die nordöstlich gelegenen Vororte Chamblee und Doraville führte. Als Wells im April in Atlanta eintraf, wusste er nicht, was ihn erwarten würde. Bis auf einen kurzen Aufenthalt während seiner Militärzeit war er noch nie im Süden gewesen, und seine Vorstellungen beschränkten sich auf Scarlett O’Hara und Martin Luther King. Atlanta hatte ihn überrascht. Die Stadt war
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