John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Mann, der seiner Frau gegenüber im Hinblick auf seine Jobaussichten flunkerte.
»Dies scheint eine wirklich nette Gegend zu sein.«
»Die Nachbarn sind freundlich. Aber wir bleiben gern unter uns.« Sie wies auf ein Flugblatt, das an dem Kühlschrank hing. »Nächste Woche gibt es ein Barbecue für diesen Häuserblock.«
»Wie steht es mit Schulen? Wir haben zwei Kleine.«
Janice zuckte zusammen. In diesem Augenblick wusste Exley, dass sie den Grund für die seltsame Melancholie in diesem Haus entdeckt hatte.
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Wir haben keine Kinder.«
»Oh.« Exley wusste nie, wie sie reagieren sollte, wenn eine Frau sagte, dass sie kinderlos sei, vor allem nicht, wenn sie es in dem Tonfall tat, wie Janice es getan hatte, einer Mischung aus Wut und Ungläubigkeit. »Tut mir leid!«, »Sie können immer noch ein Kind adoptieren!« »Kinder werden ohnehin überbewertet!« Jede Antwort wäre sinnlos und würde arrogant klingen. »Mein Fehler«, sagte sie schließlich.
Janice blickte demonstrativ auf ihre Uhr. »Tut mir leid, dass ich Sie jetzt bitten muss zu gehen, aber ich muss noch in die Werkstatt. Vermutlich bin ich ohnehin nicht die richtige Person für dieses Gespräch, denn wir haben keine Kinder.« Sie zog die Lippen zu einem hässlichen Lächeln auseinander, wie eine Viper, die im nächsten Augenblick ihr Gift versprühen würde.
»Kein Problem. Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben.« Exley trank noch einen Schluck Wasser und stand dann auf.
»Übrigens, was haben Sie gesagt, dass Sie arbeiten, Jill?«
»Joanne. Ich bin Consulter. Marktforschung. Ich glaube, deshalb will ich alles wissen über die Nachbarschaft und solche Dinge.«
»Haben Sie eine Visitenkarte?«
»Sicher.« Während Janice ihren Wein austrank, suchte Exley in ihrer Tasche nach einer Visitenkarte.
»Ich habe noch nie verstanden, was ihr Consulter tut«, sagte Janice schließlich mit einem misstrauischen Blick auf Exleys Visitenkarte.
Seit Langem hatte Exley nicht mehr so viel Ablehnung gespürt. »Danke für Ihre Hilfe, Mrs …«
»Robinson.«
»Robinson. Es ist mir peinlich, zu fragen, aber darf ich Ihre Toilette benützen?« Exley hoffte auf einen Vorwand, um sich noch rasch im Erdgeschoss umzusehen.
»Einfach durch das Wohnzimmer. Ich zeige es Ihnen.«
Weder das Badezimmer noch das Wohnzimmer waren auffällig, bis darauf, dass sie auf versteckten Reichtum schließen ließen. Im Wohnzimmer lag ein teurer Perserteppich, und das Badezimmer war mit schickem Granit ausgekleidet. Fünf Minuten später saß Exley bereits wieder in ihrem Wagen. Vielleicht war Keith Robinson nicht der Maulwurf, aber irgendetwas stimmte nicht mit ihm, dachte Exley, während sie in ihrem Caravan den Gang einlegte und mit schweißnasser Stirn davonfuhr. Sein Haus stank nach Geheimnissen.
Exley fuhr zurück in ihr Büro am Tysons Corner, wo sie die nächsten Stunden damit verbrachte, über Robinsons Berufslaufbahn nachzudenken. Sie wusste bereits, dass seine biografischen Einzelheiten mit den Informationen übereinstimmten,
die ihnen Wen Shubai gegeben hatte. Aber jetzt suchte sie nach kleineren, subtileren Zeichen. Tatsächlich fand sie ein solches Zeichen, wenn auch ein wirklich subtiles. Alles begann vor acht Jahren, als der Maulwurf nach Wens Aussage an die Chinesen herangetreten war. Seit damals besserten sich Robinsons Leistungsbewertungen beständig. Nachdem er jahrelang faul und wenig motiviert gewesen war, hatte er neues Interesse an seiner Arbeit gezeigt, wie seine Vorgesetzten sagten. Als Folge übertrug man ihm mehr Verantwortung – was mit einem besseren Zugang zu Informationen verbunden war.
Als Exley sicher war, jeden noch so winzigen Informationssplitter durchgesehen zu haben, den sie über Robinson besaßen, steckte sie den Kopf in Shafers Büro. Er war die letzten Tage mit äußerster Vorsicht vorgegangen, hatte ein weites Netz ausgeworfen und innerhalb und außerhalb der Ostasienabteilung den Beamten vage Fragen über mögliche Verdächtige gestellt. Exely hielt ihn für zu vorsichtig. Kleinarbeit gehörte nicht zu seinen Stärken; er war besser darin, sich durch Informationen hindurchzudenken, die andere gesammelt hatten. Mit seinem Jujitsju vergeudete er nur Zeit, und Zeit wurde plötzlich knapp.
Seitdem Shubai vor fünf Tagen übergelaufen war, waren auch die beiden Topagenten Langleys in der Volksrepublik verloschen. Einer der Spione, der Logistikleiter in der gigantischen Marinebasis in Lushun, war
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