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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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konnte nicht atmen, er bekam sein Zwerchfell nicht mehr unter Kontrolle. Schließlich erinnerte er sich an den Trick. Er musste seine willkürliche Muskulatur entspannen, damit das Zwerchfell von selbst arbeitete. Er sog die abgestandene Luft der Zelle ein und stieß die Erstickungsgefahr von sich. Aber während er das Bewusstsein wiedererlangte, verstärkte sich auch der Schmerz in seiner Schulter. Wells fragte sich, wie lange sie ihn schon schlugen. Fünf Minuten? Höchstens. Fünf Minuten lagen hinter ihm, eine Ewigkeit vor ihm.
    Die beiden Männer griffen in ihre Taschen, zogen Wasserflaschen hervor und nahmen ein paar Züge. Bert und Ernie, dachte Wells. Vielleicht aber auch Ernie und Bert. Sobald sich seine Atmung wieder beruhigte, nickte Bert Ernie zu und sie traten erneut an ihn heran.
    »Zweite Runde«, sagte Wells laut. »Es wird so lange geschlagen, bis sich die Moral bessert.«
Es folgten die dritte und die vierte Runde. Auch wenn es nicht schwieriger wurde, die Schläge hinzunehmen, wurde es auch nicht leichter. Die Messingschlagringe zerfetzten seine Haut und legten seine sich zusammenziehenden Bauchmuskeln frei. Blut tropfte von seinem Bauch und bildete auf dem Beton unter ihm schwarze Flecken.
    Als Bert und Ernie zur fünften Runde ansetzten, waren sie bereits erschöpft und mogelten. Einer von Berts Schlägen rutschte nach unten ab und traf Wells direkt in die Hoden. Wells schrie auf – es war ein unmenschliches Heulen – und wand sich in rasendem Schmerz in den Fesseln. Während Bert und Ernie zurücktraten, füllte sich Wells’ Geist mit reinem weißen Licht …
    Ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir. Dein Stecken und dein Stab trösten mich …
    Bismallah rahmani rahim al hamdulillah …
    Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …
    Englisch und Arabisch, der Koran und die Bibel mischten sich in ihm …
    Und Tränen tropften aus seinen Augen und verbanden sich mit dem Blut auf dem Boden.
    Und sie hörten immer noch nicht auf.
     
    Nach der fünften Runde traten sie zurück, rieben sich die Hände und bereiteten Wells dadurch für einen Augenblick unbändige, sinnlose Freude. Zumindest hatte er sie auch ein wenig Anstrengung gekostet. Irgendwann auf dem langen Weg, auch wenn er nicht sicher war wann, hatten sie ihm zwei, vielleicht sogar drei Rippen gebrochen.
    Sie verstauten die Messingschlagringe in den Leinentaschen und tupften sich die Stirn mit einem kleinen Handtuch
ab, das Ernie mitgebracht hatte – eine seltsam anmutige Geste. Danach tranken sie einen tiefen Zug Wasser.
    »Ist schon Zeit für eine Pause, Gentlemen?«, fragte Wells nun fast schon im Delirium. »Wie Rodney King sagte, können wir einfach miteinander auskommen?« Sie ignorierten ihn. Allerdings war er nicht sicher, ob sie ihn überhaupt hören konnten, denn er wusste nicht einmal mehr, ob er tatsächlich laut sprach. »Darf ich euch Jungs etwas fragen? Seid ihr Partner? Nicht wie Starsky und Hutch, sondern richtige Partner. Okay, Starsky und Hutch sind ein schlechtes Beispiel, aber ihr wisst schon, was ich meine.«
    Als Antwort zogen Bert und Ernie ihre Schlagstöcke hervor.
    Der Wechsel der Waffen schien ihnen zu behagen. Erst bearbeiteten sie seine Beine eine Weile, und dabei vorwiegend die Oberschenkel, auf die sie die Stahlstange mit Genuss niedersausen ließen. Dann schlug Ernie den Stock auf Wells’ verletzte linke Schulter, nur ein knapper Hieb. Wells konnte nicht anders und stöhnte auf. Daraufhin sagte Ernie etwas auf Chinesisch zu Bert, der nun begann, die Schulter kräftig zu bearbeiten. Der Schmerz verdoppelte sich, und verdoppelte sich und verdoppelte sich bis in die Unendlichkeit.
    Drink this and you’ll grow wings on your feet.
    »Gott«, murmelte Wells. »Bitte.« Er sackte in den Fesseln zusammen. Dass sie vermutlich längst alles wussten, war das Schlimmste daran. Höchstwahrscheinlich hatte ihn Cao Se verraten, und er ertrug dies alles nun für nichts und wieder nichts.
    Dann glitt die Tür auf und Cao trat ein.

33
    Während Cao die Tür schloss, holte Ernie zu einem letzten Hieb aus, indem er den Schlagstock so fest auf Wells’ Schulter niedersausen ließ, dass sie wieder aus dem Gelenk sprang und nicht mehr zurückglitt. Eine vollkommen neue Ebene der Hölle. Nicht schreien. Der Raum wirbelte schneller und schneller um ihn. Der abgetrennte Kopf des Taliban-Kämpfers starrte ihn an, diesmal nicht vom Boden aus, sondern direkt vor ihm. Wells fühlte, wie

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