John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Kaffeetasse klapperten. Wenn er bisher keine inneren Blutungen erlitten hatte, dann würde es jetzt bald so weit sein.
Um sich abzulenken, dachte er an Exley und ihr kleines Apartment an der Thirteenth Street NW. Wells hatte die Briefe des Präsidenten, die ihm dieser nach dem vereitelten Anschlag in New York geschrieben hatte, im Garderobeschrank in der Eingangshalle aufgehängt. »Sie haben sich den Respekt und die Dankbarkeit einer gesamten Nation erworben …« usw., usw. Niemand hatte ihn je so gut verstanden wie Exley, dachte Wells. Er musste ihr nie sagen, warum ihn die überschwänglichen Worte in Verlegenheit brachten. Ja, er war stolz auf das, was er getan hatte. Aber er hasste es, als Held bezeichnet zu werden, vor allem von Männern, die noch nie selbst Blut vergossen hatten. Der Präsident sollte sich seine glatten, bedeutungslosen Worte lieber sparen und stattdessen seine eigenen Kinder in ein Kriegsgebiet schicken, und sei es nur für einen Tag.
Wells fragte sich, ob er behaupten konnte, Exley auch nur annähernd so gut zu verstehen, wie sie ihn verstand. Sie sprach nur selten mit ihm über Heirat, eine Familie oder Kinder. Hielt sie es für selbstsüchtig, weitere Kinder zu bekommen, wenn sie schon zwei hatte, die sie nur selten sah? Oder konnte sie sich eine Zukunft mit ihm gar nicht vorstellen?
Vielleicht glaubte sie, dass sie einander zwar liebten, aber nie gemeinsam die Ziellinie überschreiten würden.
Wenn er nach Hause käme, würde er sie bitten, ihn zu heiraten.
Wenn es dann nicht schon zu spät war.
Rumpel! Wieder stieß der Lieferwagen in ein Schlagloch, härter als je zuvor. Diesmal war es zu viel für Wells. Er schrie auf, während die Dunkelheit um ihn mit der Leere in seinem Kopf verschmolz und er die Besinnung verlor.
Irgendwann später öffnete er wieder die Augen. In seinem Bauch pochte es, und er fühlte einen unangenehmen Druck. Jetzt hatte er sicher innere Blutungen, daran bestand kein Zweifel. Er hob die Wasserflasche an die Lippen und zwang sich, so viel wie möglich zu trinken.
Der Lieferwagen hatte angehalten, und der Motor war ausgeschaltet. Wells hörte Stimmen und knirschende Schritte auf Kies. Im Hohlraum war es vollkommen dunkel. Nicht einmal durch die Luftlöcher fiel Licht herein. Offenbar war es mittlerweile Nacht. Wie lange war er ohnmächtig gewesen?
Die Schritte näherten sich knirschend der Rückseite des Lieferwagens und …
Dann öffnete sich die Ladeklappe. Cao fasste nach Wells Bein, um ihn zu warnen, still zu bleiben. Der Schein einer Taschenlampe fiel in den Laderaum und zog langsame Schleifen rund um den Hohlraum.
Eine barsche Männerstimme brüllte einige Fragen.
Die Antworten wurden leise und ehrerbietig gegeben.
Dann quietschten die Federn des Lieferwagens. Jemand war auf die rückwärtige Stoßstange gestiegen.
Wells zog seine kleine Pistole aus dem Hosenbund und löste lautlos die Sicherheitssperre.
Wieder kreiste der Strahl der Taschenlampe, doch diesmal näher.
Aber er fand den Hohlraum nicht.
Als der Mann wieder auf die Erde sprang, hoben sich die Federn des Lieferwagens.
Die Rückwand wurde geschlossen, die Türen zur Fahrerkabine geöffnet und wieder ins Schloss geworfen. Dann knirschte der Motor, und der Wagen setzte sich in Gang. Erst langsam und dann schneller.
Erst als sie den Highway erreichten, sprach Cao. »Das war nahe.«
»Im Ernst?«, gab Wells zurück. »Wie spät ist es?«
Cao ließ seine kleine Digitaluhr aufleuchten und zeigte sie Wells: 21:15. Er hatte mindestens zwei Stunden geschlafen.
»Wie lange noch?«
Cao leuchtete mit der Taschenlampe über Wells. »Fünf Stunden vielleicht. Okay?«
»Ich werde es schaffen.« Wells hustete einen kleinen schwarzen Klumpen Blut und Speichel in seine Hand. »General, was hat Sie …« Wells brach ab. Vielleicht reagierte er ja zu heftig. Er versuchte es erneut mit einer neutraleren Formulierung. »Warum haben Sie sich entschlossen zu fliehen? Nach all diesen Jahren.«
Cao leuchtete sich nun selbst mit der Taschenlampe ins Gesicht, als würde er sich verhören. »Warum ich verrate General Li, Sie meinen?« Wells schwieg. »Ich habe versucht, einmal zu sagen.«
»Was Sie sich gedacht haben.«
»Was ich habe gedacht. Er nie hört zu.« Cao klopfte mit
der Taschenlampe auf seinen Beinstumpf. »Li vergessen hat, was ist Krieg. Ich nicht vergessen habe.«
»Einige Kriege muss man führen«, sagte Wells.
»Nicht diesen.«
»Nicht diesen.«
Während der Lieferwagen
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