John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
goldene Abzeichen auf seiner grünen Uniform. Dieser Mann war General Li Ping, Anführer der Volksbefreiungsarmee und eines der neuen Mitglieder des Ständigen Ausschusses des chinesischen Politbüros, jener Gruppe von Personen, die über das bevölkerungsreichste Land der Welt herrschten.
Während der Land Cruiser und die Limousinen davonrollten, stiegen Li und seine Leibwächter die Treppe zum Airbus empor. Wenige Minuten später beschleunigte der Jet mit leise schnurrenden Maschinen auf der Rollbahn und hob in die wolkenlose Nacht ab.
Von außen sah der Airbus wie das übliche A340-Großraumflugzeug der Air China aus, das dreimal pro Woche die achttausend Kilometer lange Strecke von Peking nach Teheran flog. Es hatte sogar den stilisierten roten Phönix auf dem Heck. Im Inneren jedoch unterschied er sich deutlich. Anstelle der üblichen Bestuhlung mit dreihundert Sitzen verfügte er über zwanzig Liegesessel. Im vorderen Bereich
des Flugzeuges waren zwei herrschaftliche Zimmer eingebaut, die mit Doppelbetten, Badezimmern und Duschen ausgestattet waren. Der Jet verfügte auch über eine eigene Mannschaft der chinesischen Luftstreitkräfte, die rund um die Uhr Dienst tat, und drei bewaffnete Wächter, die in einer Suite im rückwärtigen Teil untergebracht waren und das Flugzeug nie unbewacht ließen.
Denn ungeachtet seiner Kennzeichnung war dieser Airbus alles andere als eine gewöhnliche Linienmaschine. Nur die neun Männer des Ständigen Ausschusses waren berechtigt, ihn zu verwenden. Selbstverständlich besaß China auch offizielle staatliche Flugzeuge, die mit den fünfzackigen gelben Sternen auf rotem Grund bemalt waren. Der A340 bot jedoch Vorteile, wenn die Mitglieder des Politbüros ihre Reisepläne geheim halten wollten. Amerikanische Spionagesatelliten überwachten im Iran sämtliche großen Flughäfen. Aber sie hielten nicht nach einem Großraumflugzeug der Air China Ausschau. Auf diese Weise ermöglichte es der Jet General Li, unsichtbar zu seinen immer häufigeren Treffen nach Teheran zu reisen.
In verschiedener Hinsicht hatten China und der Iran guten Grund, sich einander anzunähern. Beide Nationen blickten auf eine lange und stolze Geschichte zurück. Beide hatten im zwanzigsten Jahrhundert unter Invasionen und internen Kämpfen gelitten. Beide waren erneut zu Macht gelangt, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Chinas neue Macht gründete sich auf zwei Jahrzehnte eines spektakulären Wirtschaftswachstums. Während sich Irans Erstarkung auf die steigenden Ölpreise und das Versagen der amerikanischen Politik im Nahen Osten stützte. Heute war die Islamische Republik die herrschende Macht am Persischen Golf und kontrollierte die Hälfte der weltweiten Ölreserven.
Jede ernsthafte Kriegsdrohung zwischen dem Iran und den USA würde den Preis für ein Fass Rohöl auf einhundert Dollar schnellen lassen. Ein amerikanischer Angriff auf den Iran würde den Ölpreis in die Nähe der Zweihundert-Dollar-Marke bringen und die Welt in eine Rezession stürzen. Sollte der Iran Vergeltung üben, indem er die gewaltigen Ölfelder seines westlichen Nachbarn Saudi-Arabien zerstörte, müsste die Welt zum ersten Mal seit den ersten Ölbohrungen in Pennsylvania vor einhundertvierzig Jahren Öl rationieren.
Und auch wenn Umweltschützer gern das Gegenteil behaupteten, könnte die moderne Welt ohne Öl kaum funktionieren. Flugzeuge würden am Boden bleiben. Strom und Düngemittel würden ihren Preis verdoppeln und verdreifachen. Die amerikanische und europäische Mittelklasse würde bis zum Letzten ausgepresst werden, und die Armen auf der ganzen Welt würden noch verzweifelter um ihr Leben ringen müssen. Der Iran war somit kein x-beliebiges Drittweltland, das nur durch Flugzeugabstürze und Erdbeben auf sich aufmerksam machte. Wenn seine Führungsriege sprach, mussten London und Washington zuhören. Aber es gefiel der Welt gar nicht, auf die Gnade des Irans angewiesen zu sein, das wussten die Anführer der Islamischen Republik nur allzu gut. Um sicherzustellen, dass die USA nicht auch im Iran einen »Regimewechsel« herbeizuführen versuchte wie im Irak, strebten sie nach Atomwaffen.
Li verstand den iranischen Wunsch nach Atombomben. Es war kein Zufall, dass die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen – China, die USA, Russland, Großbritannien und Frankreich – gleichzeitig die Länder mit dem größten Atomwaffenarsenal waren. Wegen ihrer einzigartigen Zerstörungskraft
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