John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
von Nagasaki, tötete augenblicklich siebzigtausend Personen und weitere Zehntausende im Verlauf der nächsten Generation. Nach modernen Standards ist die Dicke-Mann-Bombe jämmerlich. Einige heutige Atombomben besitzen die Kraft von mehr als einer Milliarde Pfund konventionellen Sprengstoffs. Das reicht, um Millionen von Menschen mit einer einzigen Explosion zu töten.
Zum Glück für das Überleben der Menschheit lassen sich die meisten Atome nicht für Nuklearwaffen nützen. Die Ausnahmen bilden die spaltbaren Materialien Plutonium und eine bestimmte Art von Uran, das sogenannte U-235. Die USA und andere große Atommächte ziehen für ihre Bomben Plutonium vor, weil Plutonium noch wirkungsvoller ist als Uran. Plutonium ist jedoch noch schwerer zu bearbeiten und kommt nicht in der Natur vor. Für seine Herstellung benötigt man Atomreaktoren, und diese riesenhaften Gebäude bilden ausgezeichnete Ziele für Lenkwaffen und Bomben. Deshalb ist für Staaten, die wie der Iran ihre Bomben im Geheimen herstellen müssen, Uran das Material der Wahl.
Doch auch Uran kann man nicht einfach aus dem Boden holen und in eine Atombombe füllen. In seinem Naturzustand besteht Uranerz aus zwei verschiedenen Isotopen, dem U-235 und U-238. Beide sehen gleich aus, sind ein schweres, dunkelgelbes Metall und unterscheiden sich nur geringfügig in ihrer Atomstruktur. Während man U-235 für
den Bau von Atombomben verwenden kann, ist U-238 dafür ungeeignet.
Im Naturzustand besteht Uran vorwiegend aus der nutzlosen Variante U-238, der eine kleine Menge U-235 beigemengt ist. Als die USA das Manhattan-Projekt zur Entwicklung von Atomwaffen ins Leben riefen, mussten die Wissenschaftler Mittel und Wege finden, um das wertvolle U-235 vom U-238 zu trennen. Sie entschlossen sich, Zentrifugen zu verwenden, verschlossene Kammern, die sich schnell drehten. Nach den Gesetzen der Physik bleiben bei einer Mischung von Atomen, die schnell gedreht werden, die schwereren Atome in der Nähe des Zentrums, während die leichteren Atome an die Außenseite geschleudert werden.
Die Wissenschaftler des Manhattan-Projekts machten sich diese Tatsache zunutze, um die beiden Uranisotopen zu trennen. Zunächst verwandelten sie das Uranerz in ein Gas, dann injizierten sie dieses Gas, das die Bezeichnung Uranhexafluorid trägt, in eine Zentrifuge und drehten sie. Die leichteren U-235-Moleküle trieben an die Außenseite der Zentrifuge, während die schwereren U-238-Moleküle in der Nähe des Zentrums verblieben. Die Wissenschaftler saugten dann das Gas aus den äußeren Bereichen der Zentrifuge ab und injizierten es in eine weitere Zentrifuge, wo sie den Vorgang wiederholten. Natürliches Uran besteht zu siebenundneunzig Prozent aus dem U-238-Isotop und nur zu drei Prozent aus U-235. Nach einigen tausend Umdrehungen hatte sich das Isotopenverhältnis umgekehrt, und das Uran war bereit, als Kern einer Nuklearbombe zu dienen.
Prinzipiell ist die Zentrifugierung ein relativ einfacher Prozess. Allerdings war es nicht so einfach, eine Kaskade von Tausenden Zentrifugierungen nacheinander ablaufen
zu lassen, wie die Iraner bereits festgestellt hatten. Selbst unter besten Bedingungen benötigte man eine kleine Armee von gut ausgebildeten Ingenieuren und Physikern. Zusätzlich mussten die Iraner eine weitere Herausforderung meistern. Aufgrund der Bedrohung durch die israelischen Luftstreitkräfte arbeiteten sie in Labors, die mehr als zwanzig Meter unter der Erdoberfläche lagen.
Bis zu diesem Treffen hatte Ahmadinedschad Li noch nicht verraten, mit welchen Problemen die Iraner konkret kämpften. Teilweise war seine Zurückhaltung eine Frage des Nationalstolzes, immerhin hassten es die Iraner, eingestehen zu müssen, dass sie bei etwas versagt hatten, bei dem Nordkorea erfolgreich gewesen war. Gleichzeitig fürchtete Teheran, dass Peking nur versuchte, sich ihr Vertrauen zu erschleichen, um sie an die USA zu verraten.
Um dieses Misstrauen zu überwinden, hatte Li große Mühen auf sich genommen. Nicht einmal die anderen Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros wussten über all seine Schritte Bescheid. Endlich zeigten seine Bemühungen Wirkung. Bei diesem Treffen hatten Ahmadinedschad und seine wissenschaftlichen Berater spezifische Ansuchen gestellt und China ersucht, dem Iran Elektroingenieure, Metallurgen und Physiker zur Verfügung zu stellen – eine kleine Armee bestens ausgebildeter Arbeitsbienen, um einen sehr großen Stachel zu bauen. Im
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