John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
kauerte sich im Schatten des Steins zusammen. Bis zu den Felsen betrug die direkte Entfernung achtzig Meter. Er würde jedoch im Zickzack laufen, um es den Kämpfern schwerer zu machen, einen klaren Schuss abzugeben. Auch wenn er nicht mehr so schnell war wie einst, war er immer noch schnell genug. Er hielt zu Gaffan drei Finger hoch, zwei, eins. Er sprintete los.
Während ihn seine Beine über das Geröll auf dem Plateau trugen, überkam ihn die Raserei des Nahkampfes. Er wusste, er würde überleben. Gott, Allah … wie auch immer man ihn nannte, und wer auch immer er war, er würde nicht zulassen, dass er hier draußen starb. Er war unverwundbar. Unzerstörbar.
Den M4 fest an die Brust gepresst, sprintete Wels über einen niedrigen Stein, immer in Bewegung schoss er über das Schlachtfeld wie ein Runningback, der das Safety hinter sich gelassen hatte und wusste, dass die Endzone nicht mehr weit war. Als er nur noch dreißig Meter von den Felsen entfernt war, trat ein Mann aus dem Schatten der Felsen hervor. Er war weiß, hatte kurz gestutztes Haar, hielt eine Kalaschnikow in beiden Händen, trug eine Jeansjacke …
Und hatte eine Gasmaske wie Wells.
Eine Gasmaske. Jetzt hieß es: alles oder nichts. Es hatte keinen Sinn, einen Schuss abzugeben. Er lief zu schnell, um auch nur die geringste Chance zu haben, den Mann zu treffen. Stattdessen drückte Wells den zweiten Abzug seines Karabiners und schoss die hochexplosive Granate ab. Vielleicht würde sie nahe genug bei dem Mann mit der Maske landen, um ihn wenigstens durchzuschütteln …
Tatatatatata. Aus der Kalaschnikow des Kämpfers brach ein Stakkato an Schüssen hervor.
Wells tauchte nach rechts ab. Er landete hart auf der Schulter, rollte sich ab und griff nach seinem Karabiner.
Die Granate explodierte in einem gigantischen weißen Blitz. Wells zog den Kopf ein, während es um ihn herum Schrapnell regnete. Als er wieder aufsah, existierte der Mann in der Jeansjacke nicht mehr.
Wells setzte sich auf. Auch wenn er nicht glaubte, dass er getroffen worden war, hing sein rechter Arm ausgerenkt herunter, und seine Schulter fühlte sich an, als stünde sie in Flammen. Er griff um seinen Körper herum und umfasste die Schulter mit der linken Hand. Dann zog er an seinem rechten Bizeps, damit der Arm wieder in das Schultergelenk sprang. Nie zuvor hatte er einen so heftigen Schmerz gefühlt, der wie eine Flutwelle durch seine Brust schoss. Tränen stiegen ihm in die Augen und füllten seine Gasmaske. Wells ließ den Arm sinken.
Nachdem er erneut kräftig eingeatmet hatte, schloss er die linke Hand nochmals um den rechten Bizeps und zog mit einem kräftigen Ruck den Arm nach vorn. Die Welt begann sich um ihn zu drehen. Als er noch heftiger zog, fühlte er, wie das Gelenk nachgab. Die Sterne und der Himmel verschwammen zu einer weißen breiigen Masse. Wells gab nicht nach. Schließlich schnappte das Gelenk wieder
ein, und der Schmerz verringerte sich von einem reißenden Strom zu einem Rinnsal. Als Wells versuchte, den Arm zu heben, stellte er erstaunt fest, dass er es konnte. Dann stemmte er sich hoch und lief zu den Felsen hinüber, um nachzusehen, ob sich noch jemand dahinter verbarg.
Aber als Wells endlich seinen achtzig Meter langen Marathon beendete und den Eingang zur Höhle erreichte, fand er niemanden mehr. Zumindest niemanden, der noch lebte. Die Granate war in die Brust des Mannes mit der Jeansjacke eingeschlagen, ein absoluter Glückstreffer, der ihn auseinandergerissen hatte. Sein kopfloser Torso lag in einer Pfütze dickflüssigen Bluts. Der immer noch von der Gasmaske bedeckte Kopf lag drei Meter von seinem Körper entfernt. Durch das klare Plastik der Maske starrten die Augen Wells an, als wollten sie ihm versprechen, dass sie ihn im Schlaf heimsuchen würden. »Arschloch«, sagte Wells laut, wobei er nicht sicher war, ob er zu sich sprach oder zu dem Mann, den er getötet hatte.
Aber er war noch nicht fertig. Es gab noch einen anderen. Irgendwo in dieser Höhle verbarg sich noch jemand.
14
Shafer spazierte mit einem Ordner in der Hand in Exleys Büro. »Maulwurf, lie-ber Maul-wurf, wo bist du?«
Exley sah von den Dokumenten auf, die sie zu lesen vorgab. »Nett, Ellis.«
»Wie geht die Jagd voran? Sind wir dem Maulwurf schon näher gekommen, um ihm eins überzuziehen?« Shafer stand vor Exleys Schreibtisch und versetzte einem unsichtbaren Maulwurf einen Schlag mit einem unsichtbaren Baseballschläger. »In dem Spiel war ich nie
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