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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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und nach einem kurzen Häuserblock erreichten sie eine Straße, die von Polizeisperren abgeriegelt war.
    »Verdammt«, sagte Song. Eine Unmenge von Männern, insgesamt mehr als einhundert, schlenderte umher. So viel zum Thema, hier könne man leicht Arbeit finden.
    »Dafür hast du mich geweckt?« Yu spuckte auf die Fahrbahn. Rechts von ihnen erhob sich das Stahlskelett eines zur Hälfte fertiggestellten Wolkenkratzers, dessen Baustelle durch Stacheldraht und versperrte Tore gesichert war. Auf
der gegenüberliegenden Straßenseite stand das Apartmenthaus, das niedergerissen werden sollte. Zwei gigantische Kräne standen daneben mit eingehängten Abrissbirnen, bereit, sich auf das achtgeschossige Gebäude zu stürzen wie hungrige Männer auf ein Steak.
    Aber wie Jordan sah, war das Gebäude nicht leer. Im fünften Stock beugte sich eine alte Frau aus dem Fenster und rief auf die Straße hinunter. »Macht nicht die Drecksarbeit für diese kapitalistischen Wegelagerer! Wir Armen müssen doch zusammenhalten!«
    Yu lachte. »Kapitalistische Wegelagerer? Diese alte Dame glaubt wohl gar, Mao sei noch am Leben. Hat ihr niemand gesagt, dass wir heute alle auf uns selbst gestellt sind?«
    »Begreifst du, Jiang?«, fragte Song. »Sie wollen, dass wir alle aus dem Haus holen, damit ihre Kräne das Gebäude niederreißen können. Es ist zwar schmutzige Arbeit, aber wir werden heute Nacht etwas zu essen haben.«
    »Schmutzige Arbeit«, wiederholte Yu. »Ja, das ist es.«
    Eine Mercedes-Limousine und zwei Polizeiautos rollten an den Absperrungen vorbei in die Straße und zwangen die Männer, ihnen Platz zu machen. Ein untersetzter junger Mann in schwarzem T-Shirt und Freizeithose stieg aus dem Mercedes und hob ein Megafon.
    »Zehn Yuan« – kaum mehr als ein Dollar – »für jeden, der das Gebäude von diesen Hausbesetzern räumt«, brüllte er.
    »Zehn Yuan?«, sagte Song. »Er muss uns für sehr verzweifelt halten.«
    »Er hat recht«, gab Yu zurück.
    »Du Schlange!«, rief die alte Frau von oben herunter. »Wir sind keine Hausbesetzer. Ich lebe schon länger hier, als du überhaupt auf der Welt bist.«
    »Und jetzt ist es für dich Zeit, zu gehen.«

    Die Frau verschwand. Als sie zurückkam, hielt sie einen Metalltopf in der Hand.
    »Schwein!«, kreischte sie und schleuderte den Topf auf den Mercedes. Die Männer sprangen auseinander, als der Topf die Windschutzscheibe der Limousine durchschlug.
    »Verrücktes altes Miststück!«, brüllte der Mann durch das Megafon zurück. Wieder flog ein Topf aus dem Fenster und landete auf der Motorhaube des Mercedes, wo er eine Delle im glänzenden schwarzen Metall zurückließ. Zwei Polizisten stiegen aus ihren Wagen und rannten in das Gebäude.
    Ein tiefes Grollen lief durch die Menge. »Schmutzige Arbeit«, sagten einige Männer. »Schmutzige Arbeit.« An den Fenstern des Gebäudes tauchten weitere Gesichter auf. »Ihr könnt uns nicht alle hinauswerfen«, riefen die Stimmen. Sirenen heulten erst in der Ferne und wurden dann rasch lauter.
    »Zwanzig Yuan!«, brüllte der Mann im schwarzen T-Shirt. »Ich bezahle zwanzig!«
    »Das ist Blutgeld«, sagte Song. Schwindel erfasste Jordan bei diesen Worten. Blutgeld. Sein Vater war für Blutgeld gestorben. »Keine Angst«, sagte der Geist seines Vaters zu ihm, aber nicht bloß in seinem Kopf, sondern in Wirklichkeit, hier auf dieser Straße. Als er sich umsah, war der Geist verschwunden.
    »Ist mit dir alles in Ordnung?«, erkundigte sich Song.
    »Mir geht es gut, Master Song.«
    »Du solltest gehen. Du solltest nicht in so etwas hineingezogen werden.«
    »Nur, wenn ihr auch geht.«
    »Dann bleiben wir alle und warten ab, was passiert. Man hat uns schon zu lange herumgeschubst.« Songs Augen waren
hart und glitzerten wie Kieselsteine. »Schmutzige Arbeit!«, rief er zu dem Mercedes hinüber.
    »Es ist ehrliche Arbeit«, brüllte der Mann zurück. »Aber wenn ihr nicht wollt, dann verhungert eben.«
     
    Einige Minuten lang passierte nicht viel. Als der Mann im schwarzen T-Shirt sein Angebot auf dreißig Yuan erhöhte, machten einige der Arbeiter ein paar Schritte auf das Gebäude zu. Aber die anderen Männer auf der Straße versperrten ihnen den Eingang, sodass sie aufgaben. Dann erschienen drei weitere Polizeiautos mit heulenden Sirenen. Ein Dutzend Uniformierte stieg aus. Die Polizisten klatschten mit den Schlagstöcken gegen ihre Oberschenkel. Ein Polizeiwagen für Gefangene sperrte die Straße in der anderen Richtung ab. Mittlerweile

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